Leseprobe

12 EINLEITUNG Die Studioausstellung und diese Publikation Goldene Passion. Georg Petel und das Rätsel seiner Kreuzigungsgruppe verdanken ihre Existenz einer wesentlichen, aber gemeinhin als wenig spektakulär empfundenen Hauptaufgabe kuratorischer Arbeit: der präzisen Erforschung der museumseigenen Bestände. Das Bayerische Nationalmuseum und die Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin im Bode-Museum können hier erstmals Forschungsergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen, die durch die kritische Untersuchung der schon seit Jahrzehnten in beiden Häusern vorhandenen Werke zustande kamen. Sie setzen damit gleichzeitig eine nunmehr hundertjährige Tradition von Ausstellungen fort, die in Augsburg und München dem genialen Bildhauer Georg Petel gewidmet wurden – und dies vollkommen zu Recht, gehörte der gebürtige Weilheimer doch im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts zu den eindrucksvollsten und prägendsten Meistern Deutschlands. Er verkehrte mit führenden europäischen Künstlern seiner Zeit und entwickelte eine neue Formensprache, die durch den Realismus der Körperdarstellung und eine zuvor unbekannte Ausdruckskraft ausgezeichnet ist. Nach einer ersten Präsentation von Holzskulpturen Georg Petels, die 1923 im Rahmen einer Ausstellung mit Gemälden und Skulpturen vom 15. bis 17. Jahrhundert im Augsburger Kunstvereinshaus organisiert wurde, folgte 1964 die große monografische Werkschau im Bayerischen Nationalmuseum, wodurch der Künstler erstmals in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte. Ein begleitender Ausstellungskatalog von Theodor Müller und Alfred Schädler diente als Diskussionsgrundlage für die vielfach schwierigen Zuschreibungsfragen. Mit der Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 1973 konnte die Summe der bis dahin geleisteten Forschungen in einer ersten Monografie vorgelegt werden. Sie umfasste die nachgelassenen Schriften des Petel-Forschers Karl Feuchtmayr, Aufsätze von Theodor Müller und Norbert Lieb sowie den umfangreichen Werkkatalog Alfred Schädlers, der noch heute als Standardwerk gilt. 2007 präsentierte León Krempel im Münchner Haus der Kunst das Œuvre Georg Petels vor dem Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges. Vorausgegangen war die Auffindung eines von der Hand des Meisters stammenden Elfenbein-Kruzifixus im Karmelitinnenkloster in Pontoise bei Paris. Damit war ein sensationelles, 1621 datiertes Frühwerk identifiziert, welches die Einschätzung des Künstlers auf ein neues Niveau hob. Der in der Folge der Ausstellung von 2007 von León Krempel und Ulrich Söding 2009 herausgegebene Forschungsband versammelt eine Reihe von Aufsätzen zu verschiedenen Einzelthemen, die Petels künstlerisch herausragende Bedeutung, seine Rolle als Zeichner und Lieferant von Goldschmiedemodellen sowie neue Erkenntnisse zu seiner Biografie und zu einer Reihe einzelner Werke umfassten. Georg Petels Rang und Bedeutung als der erste Barockbildhauer Deutschlands wurden damit eindrucksvoll demonstriert.

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