121 Handel aus dem Untergrund Der jüdische Kunsthändler Julius Carlebach als Schlüsselfigur zur Erforschung des verdeckten Handels mit historischen optischen Instrumenten im Nationalsozialismus SÖREN GROSS | DEUTSCHES OPTISCHES MUSEUM, JENA Einleitung Im Kontext der systematischen Ausgrenzung jüdischer Kunsthändler durch das NSRegime belegen einige Beispiele aus der aktuellen Forschung, dass deren Ausschluss aus der Reichskulturkammer nicht unmittelbar das Ende ihrer Tätigkeit im Kunsthandel bedeuten musste.1 Risikobereiten Händlern gelang es durch den verdeckten Abverkauf von Ladenbesitz, weiter getätigte Ankäufe von Museen und Sammlern sowie den Einsatz von Mittelsmännern, gewisse Möglichkeiten und Überlebensstrategien auszuloten, um in Zukunft aus dem Untergrund im Kunsthandel tätig zu sein. Julius Carlebach (1909–1964), ein jüdischer Kunsthändler aus Berlin, war so in der Lage, seine Abnehmer weiterhin mit neuen Angeboten zu beliefern, indem er seine Kunsthandlung offiziell als Trödelgeschäft deklarierte, ständig wechselnde Warenbestände anbot, für die Suche nach bestimmten Objekten »Agenten« anheuerte sowie durch Strohmänner bei Auktionen mitbot und Verkäufe abwickelte. Trotz großer Schwierigkeiten, Spitzeln der Reichskulturkammer und Überwachung seiner geschäftlichen Aktivitäten durch die Gestapo und Kriminalpolizei meldete sich Julius Carlebach kontinuierlich, teils mehrmals wöchentlich bei der Geschäftsleitung des Optischen Museums in Jena mit neuen Objektangeboten und Ansichtssendungen zu historischen Mikroskopen, Sonnenuhren, Fernrohren, Theater- und Operngläsern, Brillen und optischen Betrachtungsapparaten. In dieser Nische des Kunsthandels gelang es ihm bis zur Emigration im Jahr 1937, weiterhin Einkünfte zu erzielen und seine Geschäftskontakte im Handel mit optischen Instrumenten kontinuierlich auszubauen. Mit knapp über 1 500 Objektangeboten und 975 in die Sammlung eingegangenen Objekten stammen knapp zwei Drittel der Gesamterwerbungen des Optischen Museums in der Zeit des Nationalsozialismus, die im Provenienzforschungsprojekt 1 Tisa Francini, Esther: Jüdische Kunsthändler im Nationalsozialismus: Möglichkeiten und Grenzen, in: Bambi, Andrea/Drecoll, Axel (Hrsg.): Alfred Flechtheim. Raubkunst und Restitution (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Bd. 110), Berlin u.a. 2015 (Onlinezugang: https://doi.org/10.1515/ 9783110404975-019, letzter Abruf 3. 1. 2024).
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