Leseprobe

122 Händler, Sammler und Verfolgte im Nationalsozialismus »INSIGHT D.O.M.« rekonstruiert werden konnten,2 von Julius Carlebach.3 Gegenüber anderen Händlern, Sammlern und Privatpersonen stellte sich Julius Carlebach damit als einer der bedeutendsten Einlieferer des Optischen Museums heraus, der während dieser Zeit ein derartig breites Angebotsspektrum optischer Instrumente akquirieren konnte. Bis heute existiert in der Hausgeschichte des Deutschen Optischen Museums und seiner Vorgängerinstitution kein vergleichbares Beispiel eines Kunsthändlers, der historisch-optische Instrumente in solch großem Umfang aufspüren und mittels eines derartig breiten Angebotsspektrums zur Vervollständigung der optikgeschichtlichen Sammlung beitragen konnte (Abb. 1/2). Während sich nachweislich andere Museumsdirektoren und Geschäftspartner von ihm als jüdischem Kunsthändler distanzierten und Kontakte abbrachen, fand Julius Carlebach im damaligen Geschäftsführer des Optischen Museums – Moritz von Rohr (1868–1940) – einen interessierten und vertrauten Abnehmer. Durch die Intensivierung des brieflichen Austauschs mit von Rohr zu historischen optischen Instrumenten konnte sich Julius Carlebach zeitgleich ein gewisses Spezialwissen in dieser nahezu unbesetzten Nische des deutschen Kunsthandels aneignen und ein Geschäftsnetzwerk zu weiteren bedeutenden Sammlern optischer Instrumente aufbauen. Noch heute zeugen hunderte von Briefkorrespondenzen am Deutschen Optischen Museum von dieser intensiven Geschäftsbeziehung. Diese liefern umfangreiche Einblicke in den Handel mit optischen Instrumenten während der Zeit des Nationalsozialismus im Allgemeinen, insbesondere aber über die Möglichkeiten eines jüdischen Kunsthändlers, trotz Berufsverbot weiterhin aus dem Untergrund heraus wirtschaftlich aktiv zu sein. Diese für die heutige Forschung wichtigen Dokumente stellen die Grundlage dar, um Julius Carlebach als Schlüsselfigur im Handel mit optischen Instrumenten aus dem Untergrund zu untersuchen. Leitfragen sind hierbei: „ Wie konnte Julius Carlebach Zugang zu dieser Zahl an Antiquitäten erhalten? „ Wie funktionierte sein Geschäftsnetzwerk, und wer waren die Vorbesitzer? „ Welche Risiken war die Geschäftsleitung des Optischen Museums als Abnehmer eines illegalen Kunsthändlers einzugehen bereit? Im folgenden Beitrag werden aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Provenienzforschungprojekt »INSIGHT D.O.M.« am Deutschen Optischen Museum aufgezeigt, die nicht nur Julius Carlebach als Schlüsselfigur im Handel mit optikgeschichtlichen Objekten untersuchen, sondern gleichzeitig neue Erkenntnisse aus der laufenden Erforschung seiner Händlerbiografie, seiner Geschäftsnetzwerke und nicht zuletzt seiner Händlerstrategien aufzeigen. Vorhergehende Erkenntnisse von Timo Saalmann4 und Sandra 2 Ausgenommen sind die Eingänge der Sammlung Thomas Henry Court und der Sammlung Albert von Pflugk. 3 Groß, Sören: INSIGHT D.O.M. Provenienzforschung am Deutschen Optischen Museum zu Objekteingängen zwischen 1933 und 1945, in: Museumsverband Thüringen e.V. (Hrsg.): Thüringer Museumshefte, 31. Jg. (2022), Heft 1: Provenienzforschung in Thüringen. Chancen und Perspektiven, S. 21–30; siehe ebenso Groß, Sören/ Hellfritzsch, Ron: Verantwortung – Aufarbeitung – Erinnerung. Provenienzforschung am Deutschen Optischen Museum Jena, in: Hans-Werner Hahn, Marko Kreutzmann (Hrsg.): Jüdische Geschichte in Thüringen. Strukturen und Entwicklungen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen. Kleine Reihe, Bd. 64), Wien/Köln 2022, S. 404–425. 4 Saalmann, Timo: Erwerbungen aus Julius Carlebachs Berliner Kunsthandlung »Die Volkskunst«, in: Ebert, Anja/Saalmann, Timo: Gekauft – Getauscht – Geraubt? Erwerbungen des Germanischen Nationalmuseums zwischen 1933 und 1945. Weitere Ergebnisse der Provenienzforschung, Heidelberg 2019, S. 51–61 (Onlinezugang: https://doi.org/10.11588/arthistoricum.393.c7475, letzter Abruf 4. 1. 2024).

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