212 Entzug und Handel in der SBZ/DDR Zwei Übernahmen aus der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle und »unbekannte Schlossbergungen« in Leipzig und Dresden Der erste Komplex lässt sich anhand eines Gewichtes und eines Stempels erläutern, die beide aus Ostasien stammen. Das Messinggewicht (Inv.Nr. OAs 15754, Abb. 1) entspricht zwei Tael (alte Gewichtseinheit), was anhand der Schriftzeichen auf der Vorderseite verdeutlicht wird. Bei dem geschnitzten Holzstempel (Inv.Nr. OAs 15753) könnte es sich evtl. um einen Beglaubigungsstempel handeln. Gemeinsam haben beide Objekte, dass sich auf einer glatten, freien Fläche eine rote handschriftliche Nummer »Wei VIII [75 bzw. 64]« befindet. 1953 und 1982 übernahm das MVL von der Galerie Moritzburg in Halle (Saale) insgesamt über 180 Objekte, unter denen sich auch das Gewicht und der Stempel befanden. Die Gegenstände wurden in Leipzig teilweise regulär mit eigener Inventarnummer oder auch als Dublettennummer registriert. Es befinden sich jedoch auch Objekte ohne Nummer uninventarisiert in der Sammlung. Der Grund dafür wird in einem Schreiben vom 2. September 1953 von der Landesgalerie Sachsen-Anhalt an den Leipziger Direktor Hans Damm (1885–1972) deutlich: » Die [...] Objekte sind aus der Bodenreform geborgen und könnten nicht [...] überschrieben, sondern als Dauerleihgabe [...] an Sie abgegeben werden. «2 Bei der Moritzburg in Halle (Saale) handelte es sich um das zentrale Sammeldepot der in Bodenreform und später bei »Republikflucht« enteigneten Kulturgüter in der Provinz Sachsen (später Land Sachsen-Anhalt).3 In Bezug auf die Provenienzforschung beinhaltet der vorgestellte Vorgang demnach folgende Themenkomplexe: Enteignungen während der Bodenreform in der SBZ, Enteignungen von »Republikflüchtigen« in der DDR, Objekttransfers zwischen verschiedenen Institutionen innerhalb der DDR und Leihgaben aus DDR-Zeiten sowie die Frage nach dem heutigen Eigentumsstatus. Bei der erwähnten roten »Wei-Nummer« handelt es sich um ein Kürzel, das sich auf die sogenannten Ortslisten der Moritzburg bezieht, in denen ab 1950 die Bodenreformbestände erfasst wurden.4 Die Buchstaben am Anfang der Nummern sind Kürzel des Herkunftsortes, römische Nummern geben in der Regel eine Materialgruppe und manchmal darauffolgende Großbuchstaben einen bestimmten Typ von Gegenständen an. »Wei« steht im vorliegenden Fall als Kürzel für Weißenfels, »VIII« gibt die Materialgruppe der 2 Herr Werner, Leiter der Staatlichen Galerie Moritzburg, an Hans Damm, Direktor Museum für Völkerkunde Leipzig, 2. 9. 1953, in: Dokumentation MVL, Aktenstück 1953/24, Bl. 166. 3 Siehe z. B. Scheunemann, Jan: Kunst- und Kulturgutenteignungen im Zuge der Bodenreform. Das Beispiel Sachsen-Anhalt, in: Museumsblätter. Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg, 12/2019, S. 38–43; ebenso Schneider, Katja: Sicherstellung und Zweitverbringung. Die Moritzburg in Halle (Saale) als Auffang- und Durchgangslager für enteignetes Kunstgut, in: Konferenz Nationaler Kulturguteinrichtungen (Hrsg.): Museumsgut und Eigentumsfragen. Die Nachkriegszeit und ihre heutige Relevanz in der Rechtspraxis der Museen in den neuen Bundesländern, Halle (Saale) 2012, S. 49–55. 4 Diese und folgende Erklärungen zu den Ortslisten und Nummern verdanke ich Jan Scheunemann von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt.
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