215 Bodenreform-Objekte, Museumsprofilierung, Vermischungen von Sammlungen | Tina Oppermann ständen zurückzuerhalten, war es durchaus üblich, Dauerleihen statt Übereignungen vorzunehmen. So sind beispielsweise im Fall der Übernahmen aus Halle nach Leipzig die Bodenreform-Objekte im Vorgang von 1953 als Leihgaben überreicht worden, während die übrigen Kulturgüter und diejenigen aus dem Vorgang 1982 übereignet wurden.11 Für solche Dauerleihgaben wurde in der Regel entweder bereits während der DDR oder spätestens 1990/91 eine Anfrage vom MVL an die besitzende Einrichtung mit einer Bitte um finale Übereignung gestellt. Auch die enteigneten Objekte, die als Leihgabe der Moritzburg bereits fast 40 Jahre in Leipzig gelagert hatten, wurden 1991 endgültig ins Eigentum des MVL übertragen. Bei Konvoluten, die noch heute als Leihgaben in Leipzig verzeichnet sind, muss geprüft werden, ob je eine formale Übereignung stattfand oder diese noch nachgeholt werden müsste. Wie bereits erwähnt, kann in manchen Fällen ein Objekt zwar einem Entzug durch Enteignung während der Bodenreform, jedoch keinem konkreten Vorbesitzer zugeordnet werden. Im Leipziger Museum ist das meist dann der Fall, wenn Abgaben von Stellen erhalten wurden, die ihrerseits Kulturgüter aus der Enteignung bekamen. So ist es in dem beschriebenen Fall der Galerie Moritzburg oder auch bei Übernahmen des Feudalmuseums Schloss Wernigerode im Jahr 1956. Bei Letztgenanntem ist es aufgrund seiner Funktion wahrscheinlich, dass ebenso Enteignungsbestände unbekannter Vorprovenienz enthalten sind.12 Beim MVD ist das anders, was an einem Konvolut von über 300 Objekten sichtbar ist. Die Gruppe enthält zahlreiche technische Ethnografica, unter anderem Waffen, Musikinstrumente, Werkzeuge und diverse Haus- und Toilettenartikel. An einem afrikanischen Gerät, das vermutlich zum Glätten von Speerschäften genutzt wurde, lassen sich zwei Provenienzmerkmale ausmachen: ein Klebeetikett mit gedruckter Nummer »3836« und eine rote, handschriftliche Nummer »B.90« (Abb. 2). Was die Nummern bedeuten, ist bisher nicht bekannt. Eine rote handschriftliche »B-Nummer« (teilweise »Sch.B.«) ist auch an wenigen anderen Objekten unbekannter Herkunft und mit vermutetem Zusammenhang zur Bodenreform vorhanden. Die Gegenstände erhielt das MVD direkt über die Landesbodenkommission Sachsen oder ähnliche Stellen. Dazu sind keine Korrespondenzen und kaum Übergabeprotokolle erhalten. Die Objekte wurden lediglich im Nachhinein vom Museum in Listen mit den Titeln »Aus der Schloßbergungsaktion übernommen (März 1948)«, »Aus Beständen der Schloßbergung v. Mus.f. Völkerkunde übernommen Aug. 49« und »Schlossbergung übernommen im März 1950« erfasst. An Stücken, die über diesen Weg in die Sammlung eingegangen sind, befinden sich kaum Provenienzmerkmale, und die vorhandenen sind sehr heterogen und bisher nicht zuordenbar. Auch Neukatalogisierungen von Altbeständen, unter anderem aus den 1980er und 1990er Jahren, könnten solche Schlossbergungsbestände beinhalten.13 11 In diesem und ähnlichen Fällen war der Grund für eine Leihe jedoch nicht die Hoffnung auf Rückgabe, sondern die Frage, wie der spätere Eigentumsstatus solcher enteigneten Objekte sein könnte. 12 Schloss Wernigerode war 1945 bis 1949 als Nebenstelle der Moritzburg Halle (Saale) ebenso ein Depot für während der Bodenreform und nach »Republikflucht« enteignete Kulturgüter. Das 1948/49 eingerichtete Feudalmuseum speiste seinen Bestand unter anderem aus eben diesen Objekten; siehe hierzu z. B. Schmuhl, Boje/Breitenborn, Konrad (Hrsg.): Eigentum des Volkes. Schloss Wernigerode. Depot für Enteignetes Kunst- und Kulturgut, Halle (Saale) 1999. 13 Dabei handelt es sich um Objekte, die nach 1945 ohne Nummer oder andere Zuordnungen aufgefunden und dem eigenen Bestand vor 1945 zugeschrieben wurden. Jedoch können sich unter den erst in den 1980er und 1990er Jahren neu inventarisierten Stücken auch solche befinden, die erst nach 1945 in die Sammlung kamen.
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