Leseprobe

268 Neue Ansätze und spezifische Forschungsfragen In Westeuropa beschlagnahmte der »Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg« das Privateigentum und den Hausrat der deportierten Juden und Jüdinnen und ließ die Gegenstände ins Deutsche Reich transferieren, wo diese entweder verkauft oder an Bombengeschädigte verteilt wurden. Auch die Umzugsgüter von geflüchteten Juden und Jüdinnen in den Häfen Triest, Hamburg oder Bremen beschlagnahmte und verwertete die deutsche Finanz.15 Geplünderte Objekte von Wehrmachtsoldaten in österreichischen Museen Auf Grund fehlender Dokumentation ist die Identifizierung von Museumsgegenständen, die mutmaßlich von deutschen Wehrmachtsoldaten während des Zweiten Weltkriegs geplündert wurden, fast aussichtlos. Falls jedoch ein Nachweis gelingen sollte, ist es fast ausgeschlossen, diese Objekte den ursprünglichen Eigentümer*innen zuzuordnen. Im Zuge der systematischen Provenienzforschung, die in den österreichischen Bundesmuseen seit 1998 durchgeführt wurde, konnten lediglich in ganz wenigen Fällen von Wehrmachtsoldaten geplünderte Objekte identifiziert werden. Raubgut im Technischen Museum Wien Besonders eifrig waren Wehrmachtsangehörige, die im Zivilberuf bei der Deutschen Reichspost tätig waren. Das damalige »Reichspostmuseum Abteilung Wien« erhielt von diesen Experten Objekte aus den Postverwaltungen der ehemaligen Tschechoslowakei, Polens, Jugoslawiens und der UdSSR übersandt.16 Postgeschichtliche Objekte aus Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien So übersandte am 16. Oktober 1938 der »Armeefeldpostmeister beim Oberkommando Grenzabschnitt Süd« dem Museum eine Münzwaage der polnischen Post, »wie sie von den polnischen Postämtern zur Prüfung des Gewichts der Münzen (50 Groschen bis 10 Zloty) verwendet wurden«.17 Wenige Tage später, am 24. Oktober 1939, stellte die »Feldpost 523« dem Museum eine Kiste mit einer Reihe von Gegenständen zu, die in Tarnow und Umgebung sichergestellt worden waren. Darunter befanden sich zwölf Verzeichnisse, Bücher und Amtsblätter der polnischen Post.18 Am 19. Dezember 1939 traf in Wien eine Tafel mit »sechs Stück Kokarden von polnischen Soldaten- oder Feldpostkappen« ein.19 Auch aus dem »Protektorat Böhmen und Mähren« kamen in der Zeit der deutschen Verwaltung immer wieder Objekte an das »Reichspostmuseum, Abteilung Wien«. Bereits im Oktober 1938, kurz nach der Annexion des Sudetenlandes, übersandte das 15 Die in den Häfen Bremen und Hamburg beschlagnahmten Behälter mit Umzugsgütern wurden in einem Forschungsprojekt von Kathrin Kleibl und Susanne Kiel in einer Datenbank erfasst (Onlinezugang: www. lostlift.dsm.museum/, letzter Abruf 9. 9. 2023). 16 Klösch, Christian: Inv.Nr. 1938. Provenienzforschung im Technischen Museum Wien, Wien 2015, S. 68. 17 Die Münzwaage wurde unter der Inv.Nr. C3183 verzeichnet; vgl. TMW-Archiv, Postarchiv, Ordner: 1938–45: Angebote Erwerbungen I, Brief Armeefeldpostmeister beim Oberkommando Grenzabschnitt Süd an das RPMW, 16. 10. 1939. 18 Ebd. 19 Ebd., Angebote Erwerbungen I, Armeefeldpostmeister »K« Arolsen an RPMW, 14. 12. 1939.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1