Leseprobe

12  Vorwort Technisches Kulturgut – ein neuer Bereich der Provenienzforschung 25 Jahre nach der Washington Conference on Holocaust-Era Assets wird wieder angeregt darüber diskutiert, was die Provenienzforschung leisten kann, wie sie sich fortentwickelt hat und welche zukünftigen Weichenstellungen nötig sind.1 Die letzten Jahrzehnte der Entwicklungsgeschichte dieses noch relativ jungen Forschungsbereiches spiegeln dabei deutlich wider, dass sich die Provenienzforschung zunächst eher langsam entwickelte, durch den bekannten Kunstfund Gurlitt im Jahr 2013 signifikant an gesellschaftlicher Bedeutung gewann und sich in den letzten zehn Jahren als wichtiger Bestandteil der Museumsarbeit etablieren konnte. Lag das Augenmerk der Provenienzforschung zunächst auf Werken der bildenden Kunst im Bereich der Erforschung von nationalsozialistischen Entzugskontexten bzw. bei kolonialem Raubgut im Bereich der Ethnographika, so setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass in kulturbewahrenden Einrichtungen alle in bzw. ab bestimmten Zeiträumen erworbenen Objekte auf ihre Herkunft hin überprüft werden müssen. Durch einen erweiterten Forschungsfokus, der koloniale Unrechtskontexte und den Kulturgutentzug in der SBZ und DDR mit einbezieht, begann sich die Provenienzforschung besonders in den letzten Jahren immer weiter auszudifferenzieren und zu spezialisieren. Die Provenienz von Sammlungsobjekten eingehend zu rekonstruieren und zu überprüfen wird dadurch immer mehr zum integralen Bestandteil seriöser Museumsarbeit. Zugleich leistet die Provenienzforschung damit einen wichtigen Beitrag, die mit Sammlungsobjekten verbundenen Objektgeschichten und Unrechtskontexte der Öffentlichkeit ins Bewusstsein zu rufen.2 Wesentlichen Anteil an diesem Prozess trägt das 2015 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründete Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg, durch dessen finanzielle Unterstützung viele Provenienzforschungsprojekte erst möglich wurden.3 So ist es der Förderung durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste zu 1 Erklärung der Beratenden Kommission für NS-Raubgut, 4.9.2023 (Onlinezugang: www.beratende-kommission.de/de/kommission#s-memorandum, letzter Abruf: 29. 9. 2023); Bach, Christine: Ein politischer Auftrag, in: Kultur & Technik. Das Magazin des Deutschen Museums 4 (2023): Die Herkunft der Dinge. Provenienzforschung, S. 12–13. 2 Ebd.; Zuschlag, Christoph: Einführung in die Provenienzforschung. Wie die Herkunft von Kulturgut entschlüsselt wird, München 2022, S. 11–20, S. 165–168; Hartmann, Uwe: Stärkung der Provenienzforschung. Eine Bilanz nach zehn Jahren dezentraler Förderung, in: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hrsg.): Provenienzforschung in deutschen Sammlungen. Einblicke in zehn Jahre Projektförderung, Berlin 2019, S. XIX – XXV; Schwartz, Johannes: Was ist Provenienzforschung? Die Washingtoner Prinzipien, ihre Umsetzung in Deutschland und Forschungen in der Landeshauptstadt Hannover, in: Museum August Kestner/Schwartz, Johannes/Vogt, Simone (Hrsg.), Spuren der NS-Verfolgung. Provenienzforschung in den kulturhistorischen Sammlungen der Stadt Hannover, Wienand Verlag, Köln 2019, S. 16–25; Wörrle, Bernhard: Herkunft belastet, in: Kultur & Technik. Das Magazin des Deutschen Museums 4 (2023): Die Herkunft der Dinge. Provenienzforschung, S. 5–11. 3 Zuschlag: Einführung Provenienzforschung (wie Anm. 2), S. 15.

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