30 Durch die Entfernung der vergleichsweise dünnen Firnisschicht, die aber einen erheblichen Grad der Gelb-Braun-Verfärbung angenommen hatte, trat die Malerei Vermeers in einer erstaunlichen Frische hervor. Zugleich wurde der weitgehend unversehrte Erhaltungszustand des Bildes offensichtlich. Es gibt nur wenige kleine Farbverluste, die sich beispielsweise in Form einer Schichtentrennung im gelben Gewand oberhalb der Brust des Mädchens (Abb. 10a+b) und in der rechten oberen Ecke unterhalb der Vorhangstange befinden. An der weißen Lichtkante des Vorhangs, elf Zentimeter von der Stange entfernt, ist ein kleines Stück der sehr pastosen Farbe ausgebrochen (Abb. 9). Weiterhin sind kleine Farbverluste am oberen Teil des Fenstergewändes knapp unterhalb der Vorhangstange, am Fensterrahmen links oben und an der linken Kante des Teppichs vorhanden. Über dem blauen Fensterrahmen weist eine etwa zwei mal zwei Zentimeter große Stelle im roten Vorhang Abrieb an den oberen Farbschichten auf, was eventuell von einer früheren Abnahmeprobe herrühren könnte. Merkwürdigerweise ist die Farbschicht an der Signatur Vermeers, die der Künstler rechts neben dem Rock des Mädchens anbrachte, stark abgerieben. Dies könnte auf eine Manipulation oder auf früher durchgeführte Echtheitsprüfungen des Schriftzuges mit Alkohol hindeuten (Abb. 11, 12). Es finden sich zudem leichte Beeinträchtigungen der Farbschichten, die eventuell durch frühere restauratorische Behandlungen des Bildes hervorgerufen wurden, zum Beispiel am schwarzen Rock, im Hintergrund des Mädchens und besonders an der Wand oberhalb des Fensters. Um die Aufzählung der Farbschichtschäden zu vervollständigen, sei hier auch auf die bei der Abnahme der Übermalungsschichten zutage getretenen Stellen hingewiesen: Im Hintergrundbild mit dem Cupido gibt es einen alten Kratzer in der Farbschicht, der sich 2,5 Zentimeter parallel zum linken Oberarm hinzieht (Abb. 13). Die Entnahme von zwei Farbproben 2017 im Hintergrund links neben dem Kopf des Cupidos und in seiner Leistengegend hinterließ ebenfalls kleine Löcher in der Farbschicht. Weitere Farbverluststellen sind an den Bildrändern zu finden (vgl. Gesamtaufnahme im Atlas, S. 118, Abb. 3). Am linken Bildrand reihen sich diese Stellen im Abstand von zehn Zentimetern von der Unterkante aneinander und reichen teilweise bis zur Leinwand. In der linken unteren Ecke finden sich einige Farbverluste, während an der linken oberen Ecke Grundierung und Farbe bis zur Leinwand abgeschliffen sind. An der unteren und oberen Bildkante gibt es wenige kleine Verluste. Hingegen kommen am rechten Bildrand größere Bereiche mit ausgebrochener Farbe vor, die sich, beginnend zehn Zentimeter von der Unterkante, über eine Länge von ungefähr sieben Zentimetern erstrecken. An einer leicht verunklärten Partie im Teppich, rechts neben der Obstschale, sind die oberen Farbschichten ebenfalls etwas beeinträchtigt (vgl. S. 95, Abb. 11). Hier hatte der Maler das Teppichmuster zunächst für einen Löwenkopf ausgespart. Er sollte den Abschluss der Stuhllehne eines vor dem Tisch vorgesehenen spanischen Stuhles bilden. Als Vermeer diese Idee verwarf, füllte er die Stelle nur flüchtig mit dem Muster des Teppichs aus. Heute treten, infolge der Alterung der Farbschichten, zwei kleine Lichtreflexe, die ursprünglich an der linken Seite des Löwenkopfes aufblinken sollten, ohne Zusammenhang zur Darstellung auf dem rechts liegenden Pfirsich hervor.16 Das hier im Einzelnen beschriebene Schadensbild wurde durch die Firnisabnahme sichtbar. Bei dieser Maßnahme sind auch wenige ältere Retuschen entfernt worden. Darunter fanden sich teilweise nur sehr geringfügige Beschädigungen vor. Am linken Rand der übermalten Hintergrundfläche, dicht unter der Vorhangstange, war bei der Firnisabnahme zu bemerken, dass die oberen Farbschichten ganz anders auf die eingesetzten Lösungsmittel reagierten als die angrenzenden originalen. Diese Beobachtung, die sich an mehreren Abb. 11 Detail mit Resten der Signatur Vermeers Abb. 12 Nachzeichnung der Signaturreste Vermeers
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