78 Der Kurfürst in seinem Umfeld besuchen und sich aus kindlicher schuldikeitt nach deroselben zustandes und glückliches wohlergöhen erkundigen wollte.29 Dabei nutzte er im Medium des Briefes zeittypische Formeln der höfischen Aufwartung.30 Wortwörtlich erscheint eine weitere derartige Wendung kurz vor der Eroberung von Görlitz, wenn der Sohn äußerte: E.Gn. durch dieses Brieflein auffzuwardten hatt meine kindliche schuldigkaitt erfordert von hertzen wünschen[d] die gnade zu haben E.Gn. balt mitt wohl verrichteten sachen wieder alhier zu sehen, welches ich von hertzen wünsche.31 Auch im Schlussteil seiner Briefe sowie generell an jenen Stellen, in denen er seine guten Wünsche für den Kurfürsten, für dessen Tun und für das Wohlergehen des gesamten Landes zum Ausdruck brachte, schöpfte der Sohn aus einem größeren Reservoir rhetorischer Varianten als sein Vater. Gelegentlich fehlen sogar eigene Mitteilungen völlig und die Briefe des Sohnes bestehen ausschließlich aus der Bestätigung des Empfangs eines Briefes vom Vater mit kurzer Wiederholung des Inhalts sowie guten Wünschen für den Vater, die etwa in diesem Fall den größten Teil des Briefes ausmachen: Der Allerhöchste wolle verhelffen, das die stat vnd feinde balt in E.Gn. hände kommen mögen vnd dieselbe balt mitt gutter gesundhaitt zu vns kommen, welches ich von hertzen wünschen thue vnd E.Gn. hirmitt Göttlicher protection befelle, mich aber zu dero vätterliche beharrliche hulde vnd gnade recommandire wie ich dan bis an mein Ende E. Gn. --- vntterterteniger dienstwilliger gehorsammer trewer sohn verbleibe.32 Mit dieser Variabilität demonstrierte Johann Georg II., dass er über die entsprechende Rhetorik und ihr Formelarsenal verfügte und brachte zugleich die gebührende Demut dem Vater gegenüber zum Ausdruck. Damit zusammen hing die Absicht zu zeigen, dass ihm die Kommunikation mit dem höhergestellten Vater wichtig war. Ein besonders schönes Beispiel reziproker Solidarität zwischen Vater und Sohn sind die wechselseitigen Segenswünsche zum gemeinsamen Namenstag, dem Johannistag des 24. Juni 1644. Der Sohn hatte dem Vater zum 60. Namenstag gratuliert, dieser Brief scheint aber nicht überliefert zu sein. Der Vater dankte ihm anschließend dafür und wünschte seinerseits dem Sohn ein langes Leben und gute Gesundheit, woraufhin sich dieser seinerseits noch einmal unttertenigsten für den Glückwunsch zum Johannistag bedankte.33 Die Grüße zu Neujahr 1636, das der Vater während des Feldzugs durch die Mark Brandenburg in Nauen verbrachte, waren ebenfalls eine anlassbezogene Gelegenheit für den Sohn, in rhetorisch konventioneller Weise den Vater seiner Solidarität zu versichern. Der Neujahrsgruß des Sohnes beginnt mit dem Hinweis auf den bevorstehenden Jahreswechsel als einer Zäsur des Übergangs in einen neuen Lebensabschnitt, der von Vater und Sohn gemeinsam zu absolvieren war. Dieser nahm den Rite de Passage in konventioneller rhetorischer Weise zum Anlass, dem Vater umfassendes persönliches Wohlergehen wie auch Erfolg als Staatsmann zu wünschen. Kriegsglück wie auch ein dauerhafter Frieden stehen in der Vorstellung des Sohnes vom politischen Erfolg des Fürsten in engster Verbindung miteinander. Der anhaltende gute Gesundheitszustand des Vaters ist in den Worten des Sohnes ein Segen für die Kirche, die Nation und alle Menschen, den Sohn selbst eingeschlossen. Persönliches Wohlergehen des Fürsten und die Wohlfahrt der Allgemeinheit sind dabei, wie üblich in der Vormoderne, untrennbar miteinander verbunden. Auch die Schlussformeln bewegen sich in ähnlicher Weise im zeitgenössischen Vorstellungshorizont eines hierarchisch interpretierten fürstlichen Gottesgnadentums, wenn Johann Georg der Jüngere den Wunsch, der Kurfürst möge den Schutz Gottes erfahren, mit der Bitte um die Huld des Vaters für ihn selbst verband.34 Eigenhändige Nachträge des Vaters und auch des Sohnes notieren gelegentlich, beim Vater meist in größtmöglicher Kürze, zusätzliche Nachrichten, die zuletzt noch eingegangen sind.35 Vor allem aber enthalten sie Grüße des Vaters an seine eigene Frau, die Ehefrau des Sohnes und an dessen Brüder,36 beim Sohn umgekehrt Grüße derselben an den Vater.37 Gelegentlich lassen die Frauen Dank sagen, dass der Kurfürst sie so fleißig grüßen lässt,38 was auf die zentrale Funktion von Briefen, sich zwischen Abwesenden der gegenseitigen Solidarität zu versichern, verweist. Die mehrfach geäußerten Wünsche des Sohnes, dass der Vater nach der erfolgreichen Belagerung der Stadt Görlitz 1641 hoffentlich bald wieder nach Dresden komme, dass die Zeit der Abwesenheit also bald enden möge, bekräftigen ebenfalls die familiäre Solidarität, indem der Sohn unter glücklichen Umständen ein baldiges persönliches Wiedersehen mit dem Vater herbeisehnt.39 Einmal überschreitet das väterliche Postscriptum die übliche Konventionalität und wird zu einem Appell von existenzieller Dringlichkeit an den Sohn, seiner Pflicht gegenüber der Dynastie zu genügen, indem der Kurfürst diesem am 3. August 1644 in einem eigenhändigen Nachtrag die Mitteilung machte: Gleich itzo bekom ich Schreiben von E.L. schwager, das ihn gott mit eim jungen Sohn [. . .?] hat, gehet hin und tuhet dem gleichen.40 Dabei muss es sich um die Anzeige der Geburt des künftigen Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg- Bayreuth (1644–1712) handeln, der am 27. Juli 1644 in Bayreuth als erstes Kind von Markgraf Erdmann August (1615–1651) geboren wurde. Dieser war der Bruder von Magdalena Sibylla, der Ehefrau Johann Georgs II. und damit dessen Schwager und mit Sophie von Brandenburg-Ansbach (1614–1646) verheiratet. Johann Georg (II.) hingegen hatte nach der Geburt zweier Töchter 1642 und 1644 noch keinen Stammhalter aufzuweisen. Erst drei Jahre später sollte seine Frau einen Sohn, den späteren Kurfürsten Johann Georg III. (1647–1691) zur Welt bringen. Der Kurprinz reagierte am 5. August in seinem nächsten Brief,
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