Leseprobe

79 Joachim Schneider – Fürstenkorrespondenz in Kriegszeiten zwischen Vater und Sohn in dem er den Eingang des väterlichen Schreibens vom 3. August bestätigte, nicht auf diese väterliche Mahnung, sondern gratulierte vielmehr dem Kurfürsten in besonders zahlreichen Wendungen zu seinen militärischen Erfolgen.41 Das Netzwerk Anhand der Nachrichten sowie der eingeschlossenen Beilagen wird bei Vater und Sohn das jeweilige Korrespondenznetzwerk erkennbar. Bei dem Kurprinzen treten 1641 auffällig viele Kontakte zu Erzherzog Leopold Wilhelm von Österreich (1614– 1662) hervor. Dieser hatte mit dem Prager Frieden auf seine Ansprüche auf das Erzstift Magdeburg zugunsten von Kursachsen verzichtet und war nun formeller Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen. In das Nachrichtennetzwerk dieser zentralen Figur war der Kurprinz also gut einbezogen. Die Briefe Leopold Wilhelms, die der Kurprinz zitierte, waren in Dresden an diesen persönlich gerichtet, nicht an den dortigen Geheimen Rat.42 Im Übrigen wird aber deutlich, dass der Kurprinz vornehmlich ein familiäres Korrespondenznetzwerk unterhielt. Dazu gehörten sein Schwager, Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt (1605–1661), Ehemann seiner Schwester Sophie Eleonora von Sachsen (1609–1671),43 und sein Bruder August, der in der Korrespondenz regelmäßig als Erzbischof bezeichnete Administrator von Magdeburg.44 Einmal öffnete der Vater ein Schreiben Augusts, das für Johann Georg II. bestimmt war und das bei der Post aus Magdeburg mitgekommen sei, wie er schrieb, um zu ersehen, wo sich genau sein Sohn August aufhielt.45 Interessant ist die Einbeziehung des Hofmeisters des Kurprinzen, Rudolf von Dieskau (1593–1656), in die Korrespondenz der Brüder. Als sich nämlich Johann Georgs Bruder Christian (1615–1691) mit dem jüngsten Bruder Moritz zwischen 1642 und 1645 auf einer mehrjährigen Reise durch Dänemark und Norddeutschland befand,46 berichtete er dem mit ihm offenbar befreundeten Hofmeister seines Bruders in Dresden vom dortigen Kriegsschauplatz.47 Der Hofmeister teilte diese Informationen mit Johann Georg, der sie wiederum an seinen Vater weitergab. Es muss ein enges Vertrauensverhältnis zwischen den heranwachsenden Prinzen und dem deutlich älteren Dieskau bestanden haben, der ab 1639 bis zu seinem Tod bzw. bis zur Regierungsübernahme Johann Georgs II. nicht nur Hofmeister des Kurprinzen, sondern zeitweise auch Hofmeister bei Herzog Moritz von Sachsen-Zeitz war. Bereits seit 1628 war Dieskau Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, der ersten deutschen Sprachakademie, die zwischen 1617 und 1680 bestand, und machte sich auch als Dichter einen Namen.48 Mit dieser Persönlichkeit Umgang zu pflegen, mit ihm zu korrespondieren bzw. an seiner Korrespondenz Anteil zu haben dürfte für die Prinzen, jenseits ihrer eigentlichen Ausbildung, auch im Erwachsenenalter attraktiv gewesen sein. Tatsächlich wurden im Verlauf der Zeit alle vier Söhne Johann Georgs I. selbst Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft, August war es zum Zeitpunkt dieser Korrespondenz bereits und stand dieser später zwischen 1667 und 1680 als Oberhaupt vor. Johann Georg II. wurde als Letzter erst 1658, nach Ende der Dienstzeit seines Hofmeisters, in die Gesellschaft aufgenommen.49 Demgegenüber kann es nicht überraschen, dass das Netzwerk des Vaters in politischer Hinsicht weit vielfältiger war als das seines Sohnes und er Nachrichten von zahlreichen Kriegsschauplätzen erhielt und mit dem Sohn teilte. Wenn dieser dagegen Informationen an den Kurfürsten weitergab, finden sich zurücknehmende, fast entschuldigende Bemerkungen, dass der Vater die betreffende Nachricht von seinen Geheimen Räten oder anderwärts vielleicht schon selbst erhalten habe oder noch erhalten werde.50 Umgekehrt verwies der Vater den Sohn gelegentlich auf Informationen, die jener von den Geheimen Räten ausführlicher erhalten könne.51 Dennoch wollte der Sohn zeigen, dass auch er interessante Informationen erhielt und diese gern mit dem Vater teilte. Die Korrespondenz zwischen Vater und Sohn ist demnach nur ein Ausschnitt der kontinuierlichen Gesamtkorrespondenz zwischen dem abwesenden Kurfürsten und seinen Räten in Dresden.52 Berichte aus dem Krieg Neben Informationen über andere Kriegsschauplätze standen beim Kurfürsten Nachrichten über den Verlauf der militärischen Aktionen im Zentrum, an denen er selbst teilnahm. Der Vater verschwieg gegenüber seinem Sohn auch Misserfolgsmeldungen nicht, so etwa anlässlich des Überfalls schwedischer Reiter auf sächsische Truppen 1635 bei Kyritz53 oder bei der missglückten Erstürmung von Görlitz 1641, als er eine Zusammenstellung der toten und verwundeten sächsischen und kaiserlichen Soldaten beilegte.54 Hinsichtlich der kaiserlich-sächsischen Übergriffe auf die abziehenden Schweden nach der Eroberung von Görlitz 1641 verzichtete der Kurfürst auf anderwärts kolportierte Rechtfertigungen des Geschehens, sondern betonte lediglich, die sächsischen und kaiserlichen Truppenführer hätten ernstlich versucht, die Übergriffe zu verhindern: Diese Gewalttaten seien alles der Generalen und Obristen ernsten abwehrens, hauens und niederschießens vngeachtet geschehen. Doch nichts desto weniger die Keyserlichen vnd meine Völckere erstlich die Baggage, hernach auch die trouppen selbst angefallen, geplündert und etliche hundert Mann vnd Roser hinweggenommen, so dass dem schwedischen Obristen Wancke schließlich nur noch 250 Offiziere und Knechte bei seinem Abzug verblieben seien. Ungeachtet dieser Vorkommnisse betonte der Kurfürst, dass Gott bei der Befreiung von Görlitz auf sächsischer Seite gestanden habe und hoffte auf weitere Erfolge: Dem grund­

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