134 Der Kurfürst in seinem Umfeld sche Linie unter Moritz von Sachsen hatte nachhaltig prägend gewirkt. Die Nähe zum Kaiserhaus und die Wahrung des Status quo waren, gerade auch hinsichtlich der territorialen Integrität des Kurfürstentums, immer wieder gewinnbringend für die sächsischen Kurfürsten gewesen.15 Müller spricht von einer »spezifische[n] Kongruenz zwischen Reichspatriotismus und Territorialinteresse«.16 Aus dieser charakteristischen Kombination von Kaisertreue und Reichspatriotismus resultierten die kursächsische Distanz zu konfessionellen Sonderbünden und die Ablehnung jeglicher – in kursächsischen Augen – evangelischer Extremforderungen, die die konfessionelle Spaltung vertiefen und damit die Einheit des Reiches gefährden könnten. Entsprechend abgeneigt stand der Dresdner Hof einem international agierenden Protestantismus gegenüber, für den viele Reformierte und federführend Friedrich V. von der Pfalz eintraten.17 Die Folge war ein tiefes Misstrauen gegenüber den Reformierten im Reich. Für die Westfälischen Friedensverhandlungen bedeutete dies erstens eine klare Ablehnung des Einschlusses der Reformierten in den Augsburger Religionsfrieden. In der Hauptinstruktion hieß es: Politischen friede haben wir mit ihnen der verwandtnus noch gepfleget, begehren sie aus demselben nicht zuschließen: Aber die fernere austreibung vnserer Christlichen religion durch einen offenen schluß einwilligen zu helffen ist vnd bleibet bey vns bedencklich: Darnach sich vnsere Gesandten in allewege zurichten.18 An dieser Haltung hielt Johann Georg I. über den gesamten Verhandlungszeitraum fest. Als man sich im Frühjahr 1648 schließlich auf Art. VII des Instrumentum Pacis Osnabrugensis (IPO) einigte, der den Reformierten die gleichen Rechte zusprach wie Katholiken und Lutheranern, drang man am Dresdner Hof empört auf eine Änderung. Notfalls sollte der kursächsische Vertreter auf dem Kongress, Dr. Johann Leuber, offiziellen Protest einlegen, was er am 14./24. Juni 1648 weisungsgemäß tat.19 Zweitens ging Johann Georg I. dezidiert auf Distanz zu allem, was er als evangelische Extremforderungen bezeichnete. Laut Hans-Joachim Schreckenbach vertraten aber aus Sicht des Dresdner Hofes quasi alle, die nicht eindeutig auf Seiten des Kaisers standen, sondern versuchten, eine eigenständige Politik zu betreiben, Extremforderungen.20 Bei einem Großteil dieser Punkte handele es sich zudem um Privatangelegenheiten einzelner Reichsstände. In der Hauptinstruktion hieß es: So könten wir solche vmb weniger Stände willen, derer privatsachen halben, nicht hindansezen, vielweniger wißentlich das Reich vollends laßen über einen hauffen werfen.21 Die direkte Konsequenz dieser Haltung war, dass es den kursächsischen Gesandten, Hans Ernst von Pistorius auf Seußlitz und Dr. Johann Leuber, untersagt war, die Führung des Direktoriums der evangelischen Reichsstände zu übernehmen, wie es ihnen als Vertretern des ranghöchsten evangelischen Reichsstands zugestanden hätte. Dies begründete Johann Georg I. detailliert in der Resolution vom 8. Mai 1646: Also können wir umb allerhand wichtiger bedencken willen nochmals vor rathsamb nicht ermeßen, unter dem schein der Religion, nunmehr die direction der ienigen postulaten über uns zu nehmen, welche nicht nur unsere in Gott ruhende hochlöbliche Vorfahren, sonder wie auch selbst von anfang unsere Churfürstlichen Regierung zur eversion und umstürzung des ganzen Reichs-Stats gemeinet zu seyn erachtet, bevorab, da die meisten Evanglischen Stände zu behauptung ihrer gravaminum, keine scheu tragen in offentlichen votis den Pragerischen Friedensschluß nunmehr für einen zunder und ursprung alles übels im Reich ohne scheu anzugeben, welchen sie doch vorhin mit hand und siegel angenommen.22 Diese Weisung erwies sich als folgenschwer für die kursächsische Politik auf dem Westfälischen Friedenskongress, 1 Kursächsische Hauptinstruktion vom 27. März 1646. Sächsisches Staatsarchiv, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 8133/1, fol. 152r.
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