135 Lena Oetzel – Johann Georg I. von Sachsen, seine diplomatischen Vertreter und der Westfälische Friedenskongress da diese auferlegte Zurückhaltung die Handlungsmöglichkeiten der kursächsischen Gesandten nachhaltig einschränkte. Zum einen konnten sie nicht die strategischen Vorteile der Direktoriumsführung nutzen. Zum anderen mussten sie den Beratungen der evangelischen Reichsstände vollständig fernbleiben, da der Kurfürst seinen Anspruch auf Führung des Direktoriums nicht grundsätzlich aufgegeben hatte. Ihre Anwesenheit ohne Übernahme des Direktoriums hätte einen Ehrverlust bedeutet.23 Anstatt also aktiv und mäßigend in die Beratungen der evangelischen Reichsstände eingreifen zu können, waren die Gesandten auf Informationen durch Dritte angewiesen und konnten ihre Anliegen lediglich in informellen Gesprächen vorbringen.24 Dass diese Haltung nicht im Sinne des Kaisers war, dem Johann Georg I. unter anderem auf diese Weise seine Unterstützung demonstrieren wollte, zeigen die wiederholten Aufforderungen der Kaiserlichen an die kursächsischen Gesandten, diese mögen doch bitte das Direktorium übernehmen.25 Praktisch verschloss diese Verweigerungshaltung Johann Georgs I. seinen Gesandten, die von ihm angestrebte Rolle als Mittelsmann zwischen den Konfessionen zu übernehmen. Aus Sicht der evangelischen Reichsstände schlug er sich mit seiner Zurückhaltung und seiner mangelnden Unterstützung der evangelischen Anliegen auf die kaiserlich-katholische Seite.26 Gotthard urteilt bereits mit Blick auf Johann Georgs I. Verhalten während des Krieges, dieser habe letztlich immer »als Kurfürst« und nicht »als Protestant« gehandelt.27 Dies setzte sich während der Westfälischen Friedensverhandlungen fort. In diesem Sinne drängte Johann Georg I. seine Gesandten, sie sollten bei den evangelischen Reichsständen um Verständnis für die katholische Sicht werben, denn wenn man den Catholischen unter dem Zwang frembder waffen den Vergleich der Gravaminum abdringen wolte, wie lange solches verwilligen tauren, vnd nicht vielmehr umbgestoßen vnd wiederfochten werden möchte.28 Seine Warnung, daß die erledigung der Gravaminum nicht durch einige gewalt, sondern bloß durch güttliche Vergleich zwischen einander zubefördern wehre,29 war sicherlich zum Teil berechtigt. Auch später warnte er, wenn man die katholische Seite zu sehr bedrängen würde, wäre die Folge ein rechter ganz neuer Religionskrieg.30 Diese Distanzierung von sogenannten Extrempositionen war in der kursächsischen Argumentation eng mit einer Hervorhebung des Prager Friedens verknüpft. Dieser und seine Annahme auf dem Reichstag von Regensburg 1640 stellten in den Augen Johann Georgs I. eine völlig ausreichende reichsinterne Lösung der Konflikte dar. Sollten tatsächlich noch Fragen offengeblieben sein, so könnten diese auf einem späteren Reichstag geklärt werden. Eine Einmischung auswärtiger Mächte sei unnötig und unangemessen.31 Der sich ständig wiederholende Verweis auf den Prager Frieden betonte nicht nur den Wunsch nach einer reichsinternen Lösung, sondern erlaubte es, indirekt auf Johann Georgs I. angestrebte Rolle als Vermittler, Friedenspolitiker und evangelischer Interessenvertreter anzuspielen – schließlich hatte er den Friedensschluss mit dem Kaiser, zu dem fast alle Reichsstände in Folge beigetreten waren, ausgehandelt.32 Hier hatte Kursachsen eine Führungsrolle nach seinen Wünschen – kaisertreu, friedensfördernd und dabei zwischen den Konfessionen ausgleichend – einnehmen können. Entsprechend häufig tauchen in der Hauptinstruktion, aber auch in den späteren Resolutionen an die Gesandten, Verweise auf den Prager Frieden auf, der zum Referenzpunkt wird: Daß die frembden Cronen, ob sie gleichgar wohl gewust, daß alle Stände des Reichs (biß Heßen-Caßel vnd Durlach) an dem Pragischen Friedenschluß vnd darin bedingten güttlichen Vergleich über denen Religionsbeschwerden sich contentiret, Von deme biß dahin geführtem innerlichem Blutvergießen gegen einander auffgehöret, zu völliger ruhe vnd friede sich begeben; Demnach hingegen sie (die frembden Cronen) die im Reich occupirten örter, zu wieder ihrer in druck gegebenen manifesten vnd anderer beteurlicher erklehrungen, so gar nicht wieder auß geantworttet, daß sie vielmehr den verderblichen krieg ie länger ie weiter fortgesezet, von tage zu tage mehr länder vnnd örter eingenommen, vnd mit lautern vergebenen Disputaten vnd impertinent puncten die Friedens handlung viel iahr zurücke gehalten.33 Der Umstand, dass Reichsangelegenheiten in Westfalen überhaupt erneut verhandelt werden mussten, stellte diesen kursächsischen Vermittlungserfolg in Frage und erklärt unter anderem, weshalb der Prager Frieden für Kursachsen zur zentralen Referenz wurde. Deutlich wird in diesem Zitat auch, wem Johann Georg I. die Verantwortung für das Scheitern des Prager Friedens und den weitergehenden Konflikt gab: den auswärtigen Kronen. Hierin liegt ein zentrales Argument, warum Kursachsen dem Kongress so ablehnend gegenüberstand: Jegliche Einmischung auswärtiger Mächte in Reichsangelegenheiten stellte für ihn eine rote Linie dar. Das Reich sollte, eben wie im Prager Frieden, seine Probleme eigenständig und unabhängig lösen. Die Einbeziehung Schwedens auf Seiten der evangelischen Reichsstände war einer der Gründe, weshalb Johann Georg I. seinen Gesandten die Übernahme des Direktoriums untersagte. Er wollte auf keinen Fall, dass der Eindruck entstehe, er würde eine solche Einmischung billigen. Aus seiner Sicht war diese Einmischung schuld an allem Übel im Reich: So hingegen von den frembden Cronen, welcher Direction oder Dictatur in längerer vndienlicher verzögerung der Tractaten, man endlich zu übernehmen hette, einige Versicherung eydliche zusage oder beschworne Capitulation nicht verhanden. Vielmehr ihre innerlich intention zu gänzlicher Zerstör- vnd auffhebung der löblichen inner vnd außer Teuzschland höchst gepriesenen Harmoni vnd heilsamer Verfaßung zwischen dem Römischen Keyser
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