241 Marius Winzeler – Der Kurfürst als Bauherr Der Bauablauf ist durch schriftliche Quellen und bauarchäologische Befunde nachvollziehbar. Demnach wurde 1605 mit dem Bau des sogenannten Pagenturms am Westflügel und des Kammerturms in der Nordostecke des Hofes begonnen. Für den 16. Oktober 1606 ist überliefert, dass Johann Georg »mit seinen Brüdern Christian II., dem Kurfürsten von Sachsen, und August, dem Administrator von Zeitz, nach Merseburg kam und sie eine fröhliche Einweihung des freilich erst zum Teil fertigen neuen Schlosses feierten.«16 Im Folgejahr wurden Kammerturm und Ostflügel vollendet, worauf als letzter Bauabschnitt der Nordflügel folgte. Die im 19. Jahrhundert geborgenen Turmurkunden überliefern die wichtigsten Beteiligten: Neben Brenner als Baumeister wirkten als Werkmeister Simon Hoffmann aus Freiberg, als Maurermeister Nickel Zimmermann und Adam Mehner aus Plauen sowie als Zimmermeister Lorenz Petzolt, Michael Berger aus Dresden und Jacob Roß.17 Als Maler war Michael Treuding d.J. beteiligt.18 Die Oberaufsicht über den Bau führte Hofmarschall Johann von Kostitz, Geheimer Rat und Präsident sowie Domprobst von Merseburg. Da es während der Realisierung zu einer erheblichen Erweiterung des Bauprogramms kam, konnte auch er nicht verhindern, dass sich die Kosten bis zur Vollendung schließlich fast verdoppelten, wofür sich Herzog Johann Georg persönlich im Geheimen Finanzkollegium rechtfertigte.19 In seiner heute noch erhaltenen Form zeigt sich das Merseburger Schloss als mächtige viergeschossige Dreiflügelanlage mit hohem Satteldach, das durch markante dreigeschossige Zwerchhäuser mit Volutengiebeln gegliedert ist (Abb. 1). An den Außenfassaden des West- und Nordflügels setzen die als schlanke achteckige Polygone unter welschen Hauben ausgeführten Pagen- und Konditoreitürme vertikale Akzente, im Innenhof der viereckige Kammerturm. Letzterer weist außen ein reich geschmücktes Portal mit Säulen und Dekor in Spätrenaissanceformen sowie im Innern eine besonders prächtig gestaltete Wendeltreppe auf: Die Unterseiten der Stufen sind mit in Flachrelief herausgehauenem und farbig gefasstem Beschlagwerk verziert, in welches Medaillons mit Wappen und Namen eingefügt sind (Abb. 2). Zuunterst verewigte sich der ausführende Werkmeister Simon Hoffmann, darauf folgen die Domherren mit dem Domprobst Johann von Kostitz an oberster Stelle. Abgeschlossen wird der Turm von einem sternförmigen Rippengewölbe in nachgotischer Manier, dessen Schlussstein das Wappen des Bauherrn Johann Georg trägt, während Melchior Brenner an einer Gewölbekonsole sein Monogramm und Meisterzeichen hinterlassen hat. Prachtvolle Beispiele der ornamentalen und architektonischen Gestaltungsfreude Brenners sind ferner das Hauptportal am Nordflügel – bekrönt von den Bistumspatronen, dem Administrationswappen und einer Widmungsinschrift –, der dortige Schöne Erker sowie der Schlossbrunnen in der Südostecke des Hofes. Von der damaligen inneren Ausgestaltung konnte eine leuchtend blaue Ausmalung mit Smalte in der ehemaligen Hofestube im Erdgeschoss des Nordflügels nachgewiesen werden, wohin Brenner markante spätgotische Ausstattungsstücke versetzte. In den Geschossen darüber haben sich zudem zahlreiche Holzbalkendecken mit reichem ornamentalem Dekor erhalten: 2 Schloss Merseburg, Kammerturm, vollendet 1607, Treppenuntersicht mit Wappen der Domherren, Foto: Jochen Ehmke
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