242 Höfische Repräsentation zur Zeit Kurfürst Johann Georgs I. Unterschiedlich farbige Schablonenmalerei simuliert marmorierte und plastisch-vegetabil gestaltete Kassetten in den Formen der späten Renaissance oder zeigt Beschlagwerkvarianten. Insgesamt ermöglichen diese Fragmente trotz ansonsten fehlender Ausstattung eine gute Vorstellung von Anspruch und Aufwand, den der junge Herzog in Merseburg betrieben hatte. Fotografische Dokumentationen und restauratorische Befunde überliefern zudem, dass die Fassaden mit einer illusionistischen Bemalung versehen waren, deren charakteristische Elemente eine Rustikabasis und darüber eine monumentale Säulenordnung bildeten, wobei letztere das abschließende dritte Obergeschoss als Piano nobile akzentuierte (Abb. 3).20 Eine enge Verwandtschaft mit der Fassadenmalerei an Stallhof und Langem Gang sowie der Sgraffitodekoration des Dresdner Residenzschlosses war natürlich kein Zufall: Insgesamt rekurrierte Brenners Architektur in Merseburg auf jenen Bauten, wobei freilich deren Formen modernisiert und durch die Einbeziehung der spätgotischen Bausubstanz lokal adaptiert wurden – nicht ohne das Dresdner Vorbild in puncto Monumentalität noch zu übertreffen. Zudem verwies die prominent auf Bauherrschaft und Bauausführende verweisende Ausgestaltung der Wendeltreppe im Kammerturm programmatisch auf den 70 Jahre älteren Großen Wendelstein an Schloss Hartenfels in Torgau, wodurch Merseburg gewissermaßen als Synthese der beiden wichtigsten wettinischen Residenzen der Zeit erschienen sein mochte. Schloss Merseburg war jedoch nicht der einzige Bau, den Herzog Johann Georg in jungen Jahren realisierte. Schon im November 1604 hatte ihm sein Bruder Christian das eben erworbene Rittergut Laußnitz bei Königsbrück übereignet. Ab 1607 entstand dort anstelle einer älteren Wasserburg ein neues Jagdschloss, ein kompakter dreigeschossiger Rechteckbau mit einem Turm, erschlossen von der Nordseite über eine Brücke.21 Aufgrund des sumpfigen Geländes war eine aufwändige Pfahlgründung mit eichenem Rost erforderlich, auf dem der steinerne Bau mit einem gewölbten Erdgeschoss ruhte; das zweite Obergeschoss war zunächst eine Fachwerkkonstruktion. Im Innern umfasste das Schloss 27 Zimmer, drei Säle und zwei Küchen und stellte mit dem zugehörigen Gutshof und Nebengebäuden eine weitläufige Anlage dar. Die Namen des Baumeisters und der ausführenden Bauleute sind nicht überliefert. Seit 1823 nicht mehr genutzt und verkauft, wurde das Schloss 1847 vollständig abgebrochen. Erhalten blieben nur wenige Ausstattungsteile, darunter ein steinerner Kamin mit seitlichen Voluten, die mit Beschlagwerk in der Art Simon Hoffmanns dekoriert sind. Er überstand als einstiges Sammlungsgut des Sächsischen Altertumsvereins im Erdgeschoss des Palais im Großen Garten in Dresden auch die Bombardierung im Februar 1945.22 Johann Georg weilte nahezu jedes Jahr einige Tage zur Jagd in Laußnitz, das Schloss gehörte zeitlebens zu seinen bevorzugten Sitzen.23 Seine ambitionierte Residenz in Merseburg hingegen nutzte er nur sehr kurz: Mit dem unerwarteten Tod Christians II. 1611 folgte er ihm als Kurfürst nach und hielt sich in der Folge kaum noch in Merseburg auf, behielt das Amt des Administrators jedoch bis an sein Lebensende. 3 Schloss Merseburg, Rekonstruktionszeichnung der Fassadenpolychromie von 1608, Karin Heise, Grafik von Jörg Wachtel, 2019
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