Leseprobe

243 Marius Winzeler – Der Kurfürst als Bauherr Höfische Bautätigkeit unter Johann Georg I. in Dresden Wohl zunächst als Dresdner Residenz für Herzog Johann Georg, nach dessen Regierungsantritt 1611 dann für dessen jüngeren Bruder August, Administrator des Hochstifts ZeitzNaumburg, wurde ab 1609/10 das Fürstliche Haus an der Elb- bzw. heutigen Schlossstraße – auch Residenzhaus genannt – ausgebaut. Erneut wirkte daran der seit 1590 in Dresden ansässige Baumeister Melchior Brenner, der den Bau leitete und entsprechend alle Abrechnungen prüfte und unterschrieb. Es handelte sich bei dem anstelle mehrerer Bürgerhäuser entstandenen Bau um einen Komplex mit zwei Höfen, der sich zwischen Schloss- und Schössergasse erstreckte. Trotz zahlreicher Quellennachweise, die auch eine reiche Ausstattung überliefern, kann die ursprüngliche Baugestalt jedoch kaum mehr ermittelt werden. Im 18. und 19. Jahrhundert stark umgebaut, wurde das Gebäude 1945 vollständig zerstört.24 Dies gilt auch für den wohl ebenfalls auf Veranlassung des jagdbegeisterten Kurfürsten 1612 errichteten Löwenhof am Stallhof, unweit des Fürstlichen Hauses gelegen. Es handelte sich um einen Bau mit einem zur Schössergasse hin offenen Innenhof, in dem Löwen und andere wilde Tiere gehalten wurden, bevor ihre Umsiedlung in den Jägerhof in Altendresden erfolgte.25 Letzterer nimmt sodann unter den von Johann Georg I. in dessen ersten Regierungsjahren vollendeten Dresdner Bauten eine herausragende Rolle ein. Bereits Kurfürst August hatte ab 1568 am nordöstlichen Stadtrand von Altendresden (der späteren Neustadt) den Jägerhof als einen Komplex von locker um einen rund 100 × 100 m großen Hof gruppierten Gebäuden anlegen lassen, der dann von seinen Nachfolgern sukzessive ausgebaut und erweitert worden ist.26 So entstand unter Christian I. das lange Zeughaus an der bislang offenen Elbseite und Christian II. ließ parallel zum Ostflügel ein weiteres Zeughaus für die ›Inventionen‹ und ›Aufzüge‹ errichten. Seine bis heute charakteristische Gestalt erhielt der Jägerhof jedoch unter Johann Georg I., der den heute als einzigen Bauteil teilweise noch erhaltenen Westflügel aufstocken sowie mit drei von welschen Hauben abgeschlossenen Treppentürmen und einem mit Jägerfiguren und der Skulptur eines springenden Hirsches geschmückten Südgiebel versehen ließ (Abb. 4). Im Obergeschoss wurden prachtvoll ausgeschmückte Repäsentationsräume eingerichtet. Erweitert und um weitere zwei Treppentürme ergänzt wurden aber auch Ost- und Nordflügel. Am 28. August 1617 fand anläßlich des Besuchs Kaiser Matthias I. und dessen Neffen Ferdinand, dem zukünftigen Kaiser Ferdinand II., die feierliche Wiedereinweihung des Jägerhofes statt, wobei sich allerdings die Vollendung der Ausgestaltung noch länger hinzog. Die für Johann Georg I. ab 1611 im Obergeschoss eingerichtete Folge von drei großzügigen Sälen mit kostbarer Ausstattung und aufwendigem Bildprogramm für höfische Festivitäten ist durch Beschreibungen gut dokumentiert: Der Vorsaal wies eine reiche Ausmalung auf, wobei die Deckenfelder vierfüßige Tiere zeigten und die Balken Jagdszenen, Motive der ›Verkehrten Welt‹ und ›Weibermacht‹, ungleiche Paare und ähnliche Belustigungen. An den Wänden hingen großformatige Darstellungen einer Wasser- und Lustjagd sowie eines perspektivisch stets den Betrachtenden zugewandten Pferdes. Das folgende Schlafgemach des Kurfürsten war mit Vogeldarstellungen dekoriert und wies einen Kamin auf; an den Wänden hingen Gemälde eines Wildschweins und eines Bären. Im großen Hauptsaal waren die Wände mit Ledertapeten verkleidet, darüber war ein gemalter Wandfries mit einem langen Jagdzug, den Jägeraufzug Johann Georgs I. von 1609 darstellend, montiert (heute in der Churfürstlichen Waldschänke Moritzburg). Die Decke wies 18 zum Teil großformatige Gemälde auf: Szenen aus der Familiengeschichte und Jugend des Kurfürsten sowie eine Darstellung der Kaiserkrönung Matthias I. in Frankfurt am Main, an welcher Johann Georg I. teilgenommen hatte, zudem im Zentrum vier große Gemälde mit Ereignissen des Kaiserbesuchs von 1617. In chronologischer Folge waren die Lust- und Wasserjagd bei der Festung Königstein, der Einzug Matthias I. in Dresden, die Lust- und Kampfjagd auf dem Dresdner Altmarkt sowie die Lustjagd in der Laußnitzer Heide wiedergegeben (letztere heute in der Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden).27 4 Dresden-Innere Neustadt, Jägerhof (heutiges Museum für Sächsische Volkskunst), Westflügel, Ansicht des Südgiebels, vollendet 1617, Foto: Jörg Blobelt

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