Leseprobe

271 Holger Schuckelt – Die Belagerung Bautzens 1620 chen Lage in der Gegend problematisch sei, da bei uns und umb uns herumb Kriegesvolck genug ist und noch teglichen geworben wirdt, an der Polnichen grenze sollen von den Bäyrischen oder Käyserischen, in die 15 tausent Coßakenn geworben sein, welche durch Mähren, Schlesien, und Niederlausiz durchbrechen, und wieder die Bömen ziehen wollen.5 Anschließend berichtete er darüber, dass auch der Kurfürst von Sachsen viele Soldaten unter Waffen habe und weiterhin Söldner anwerben lasse. Allerdings wisse man noch nicht, gegen wen diese Rüstungen gerichtet seien. Diese beklemmende Unsicherheit sollte bald durch Tatsachen verdrängt werden. Im Spätsommer 1620 waren die Vorbereitungen Kursachsens für den bevorstehenden Feldzug abgeschlossen und Johann Georg I. musterte seine Truppen bei Mühlberg an der Elbe. Nach einer mehrtägigen Rast marschierte die gesamte Armee über Stolpen, Bischofswerda und Göda in die Oberlausitz. Wenige Tage zuvor hatte man in Böhmen noch geglaubt, man könne sich mit dem Kurfürsten von Sachsen verständigen. Als aber Nachrichten über die fortgeschrittenen Kriegsvorbereitungen Johann Georgs I. in Prag eintrafen, rechnete man auch da fest mit einem Angriff. Hauptziel des Feldzugs war Budissin (Bautzen6), Amtssitz des Landvogts der Oberlausitz und deren Hauptstadt. Der sächsische Heereszug gegen Bautzen wurde vermutlich im Folgejahr auf einer detailreichen Miniatur festgehalten (Abb. 1).7 Von Norden nach Süden blickend stellte der unbekannte Künstler das kurfürstliche Heer auf seinem letzten Tagesmarsch von Göda nach Bautzen dar. Während im Vordergrund die Truppen über klar gegliedertes, offenes Ackerland ziehen, sind im Hintergrund bewaldete Hügel und Berge zu sehen, bei denen es sich wohl um den Hohwald oder die Sächsische Schweiz handeln soll. In mehreren gut geordneten Kolonnen, mit wehenden Fahnen und den jeweiligen Offizieren an der Spitze, bewegen sich Kavallerie, Infanterie und Artillerie nebst dem dazugehörigen Tross vorwärts. Rechts oben in der Ecke befindet sich eine Kartusche mit einer heute kaum noch lesbaren Beschriftung, die gemäß der Karteikarte von 1918 ANNO MDCXXI: den 24. Augusti – Morgens Ist der Durchlauchtigste Hochwürdige Churfürst und Herr Herr JOHANS GEORGE / Hertzog in Sachsen – hier abgebildeten Heereszugk von Gehdo auffgebrochen und die Stadt Budißin oberzogen lautete. Offen bleibt, ob es sich bei der angegebenen Jahreszahl um einen Schreibfehler oder aber um das Entstehungsjahr der Miniatur handelt, wobei letzteres eher unwahrscheinlich ist. In den ersten Septembertagen (die entsprechenden Datumsangaben variieren in unterschiedlichen Schriften) traf das sächsische Heer vor Bautzen ein. Bevor mit der eigentlichen Belagerung begonnen wurde, schickte man den Kriegsrat Jacob von Grünthal mit einer Aufforderung zur Übergabe in die Stadt. Schon seit mehreren Tagen war Bautzen jedoch von Truppen der schlesischen Ständearmee besetzt, so dass es nicht zu einer Einigung kam. Grünthal wurde verhaftet und über Zittau nach Prag gebracht. Johann Georg I. befand sich offenbar zu dieser Zeit noch in Stolpen, da er dort am 12. September Gesandte des Rates der Stadt Kamenz empfing, die sich ihm kampflos unterwarfen.8 Wohl am selben Tag begann der massive Beschuss von Bautzen und zwei Tage später kam es zu einem ersten Sturm, der aber erfolgreich abgewehrt werden konnte. Aus dem Blickwinkel der eingeschlossenen Stadt wurde die Belagerung in einer anonymen Flugschrift Tag für Tag im Detail festgehalten. Die Zustände müssen für die Bewohner Bautzens furchtbar gewesen sein. An manchen Tagen wurden weit über 300 Kanonenkugeln auf die Stadt abgefeuert, die massive Zerstörungen verursachten und viele Menschenleben kosteten. So heißt es unter dem 30. September im Anschluss an genaue Schilderungen des Beschusses: Gott stehe vns ferner bey / Denn er [d.h. der Feind] sich so nahe an die Stadt mit Stücken verschantzet / daß fast kein Mensch inn Häusern vnd Stuben sicher

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