272 Höfische Repräsentation zur Zeit Kurfürst Johann Georgs I. stehen / gehen / oder liegen kann / so schneiden die Kugeln durch.9 In der Zwischenzeit war auch Johann Georg I. persönlich im Feldlager vor Bautzen eingetroffen (hierfür gibt es ebenfalls unterschiedliche Datumsangaben). Am 3. Oktober schickte man erneut eine Übergabeaufforderung an die Stadt und verhandelte am nächsten Tag über Bedingungen für das Ende der Belagerung. Schließlich kapitulierte Bautzen am 5. Oktober 1620. Den schlesischen Truppen wurde gestattet, bewaffnet (allerdings ohne brennende Lunten) und mit Fahnen abzuziehen, nachdem sie sich verpflichtet hatten, in den folgenden drei Monaten nicht wieder gegen den Kurfürsten zu den Waffen zu greifen. Vor dem Reichentor, welches während der Belagerung auch Schauplatz heftiger Kämpfe gewesen war, übergab man die Schlüssel der Stadt dem Kurfürsten von Sachsen. Bei dieser Gelegenheit führte Johann Georg I. möglicherweise einen Stockdegen, der sich im Bestand der Dresdner Rüstkammer erhalten hat und den er laut historischer Inventareintragungen bei der Einnahme Bautzens geführt haben soll.10 Während die kräftige Gratklinge mit Kriegstrophäen verziert ist, trägt der Griff Reliefdarstellungen mit Szenen aus dem Alten Testament. Der Knauf des Griffes ist als Streitaxt ausgeführt, deren Klinge ebenfalls mit Waffengruppen und Trophäen geätzt ist. Die schwarz gefärbte Holzscheide des Stockdegens ist mit drei gravierten Beinstreifen eingelegt (Abb. 2). Belagerung und Einnahme Bautzens wurden in den folgenden Jahrzehnten zum Thema zahlreicher Kupferstiche. Die ›Abbildung der Statt Budissin oder Bautzen, wie dieselbe von Ch.F. Durchl. zu Sachsen erobert worden im Sept. Anno 1620‹ aus dem ersten Band des Theatrum Europaeum von Matthäus Merian d.Ä. fand ab 1635 in mehreren Auflagen große Verbreitung (vgl. Abb. 1, S. 287).11 Der Stich zeigt im Hintergrund das brennende und weiterhin unter Beschuss befindliche Bautzen sowie die zum Teil bereits zerstörten Vorstädte. Im Vordergrund reitet Kurfürst Johann Georg I. in Begleitung seiner Truppen und mit den kursächsischen Fahnen. Vor ihm knien mehrere von bewaffneten Reitern vorgeführte Gefangene, die offenbar um Gnade bitten. In einem gewissen Maße gnädig erwies er sich gegenüber der Bevölkerung Bautzens, nachdem er die Stadt in den Wochen zuvor durch seine Truppen mit so viel Leid überschüttet hatte: Nur wenige Tage nach der Kapitulation gewährte der Kurfürst in seiner Funktion als kaiserlicher Kommissar im Namen Ferdinands II. Bürgermeister und Rat der Stadt Bautzen das offizielle Pardon. In dem am 12. Oktober 1620 verfassten und eigenhändig von Johann Georg I. unterschriebenen Schriftstück wurde zunächst in kurzer Form erläutert, wie es zur Belagerung und Einnahme Bautzens gekommen war. Anschließend bestätigte der Kurfürst der Stadt Bautzen die weitere Gültigkeit der vormals erteilten kaiserlichen Privilegien und Rechte, außerdem garantierte er ausdrücklich die freie Ausübung des lutherischen Glaubens gemäß den Bestimmungen des Augsburger Reichs- und Religionsfriedens von 1555 und der Religionsassekuration von 1611.12 Neun Tage später wandten sich Bürgermeister und Rat der Stadt Bautzen ihrerseits mit einem Schreiben an Johann Georg I., in dem sie sich dazu verpflichteten, diesem 6 000 Gulden an Kriegskontributionen zu zahlen. Davon sollten die erste Hälfte auf dem Leipziger Ostermarkt 1621 und der verbleibende Teil auf dem Leipziger Michaelismarkt bezahlt werden.13 2 Stockdegen mit Scheide, Gefäß sächsisch, Klinge vermutlich süddeutsch, um 1615. Klingen Eisen geschmiedet und geätzt, Griffhülse Messing gegossen, Scheide Holz geschnitzt und gefärbt, mit Bein eingelegt, graviert, Beschlag Messing; Gesamtlänge 121,2 cm; Gewicht 850 g. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Rüstkammer, Inv.-Nr. IX 0055, Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut
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