16 Götze kollagiert. Das ergibt mitunter recht verwirrende, aber immer prächtige Muster. Ein Space Shuttle liegt auf der Kokosmatte, und die Geishas wundern sich. Ab da geht es los, das kommt aus dem Nichts, alles, was bis dahin auf das Papier kam, war zwar politisch engagiert und von anrührendem pubertären Eifer erfüllt, aber grafisch dilettantisch. Der Siebdruck klärt das Wirre im Engagement. Die Technik ordnet den Bildraum. Die Konzentration beim Farbdruck kommt der Komposition der Blätter zugute. Man muss ein klares Konzept für die Abläufe haben, um mit transparenten Farben Töne zu mischen, von den hellen in die dunklen arbeiten, keine Details vergessen, damit keine Leerstellen entstehen. Von nun an kommt man bei den Bildbeschreibungen ins Schwärmen. Götze hat ein gutes System gefunden. Seine Räume haben offene Wände, die Statik hält durch das fantasievolle Muster der Tapeten. Durch die Lücken in der Stellage leuchten seltsame Ausblicke bis in den Weltraum, unendliche Weiten. Die Zukunft schlägt in die Gegenwart ein. Das sind Hirngespinste, das Kleine wird groß und das Große klein, wie im Traum, wo auch jede absurde Konstellation akzeptiert wird. Zeitsprünge, Bodenlosigkeit, Halluzinationen, Aufheben der Schwerkraft, Tote stehen auf, Tiere und Dinge sprechen, Rätsel müssen gelöst werden, um durch das Labyrinth zu kommen. Die dargestellten Personen wechseln ihre Hierarchien, Konventionen sind aufgehoben. Er spielt mit Zufällen und der Verwendung von Gedächtnismarkern und Warenzeichen. Und er spielt mit dem Absichtslosen, zeigt Identifikationsobjekte, die Menge der Alltagsgegenstände liegt im kreativen Chaos auf der Bühne. Das ist sinnlich und unaufgeräumt. Und egal, was abgehandelt wird – Weimarer Klassik, Nibelungensage oder Deutsche Einheit –, irgendwo liegen ein Mobiltelefon, angerissene Zigarettenpackungen, Notizzettel und zerknautschte Getränkebüchsen rum. Ab Ende der 1980er-Jahre sind die Blätter durch klare Farbflächen und eigenwillige Bedeutungsperspektiven geordnet, Parolen in Großschrift, filigrane Binnenzeichnungen und expressive Einschübe lebendiger Flächen. Merke: Götze malt und denkt in realen Bildern. Als gäbe es da immer ein Drehbuch, ein Libretto, ein Briefing vor dem Einsatz, Lagebesprechungen vor der Operation. Aber die Realität ist nicht alles. »In den Wüsten der Information brauchen wir Oasen, dafür ist Lyrik da.«2 Und nun kommt der den Zeitnerv treffende Sprachwitz dazu. Götze zeigt sich als Schriftkünstler. In seiner Grafik ist die Schrift eine weitere Ebene, in den Titeln oder den Sprechblasen. Als Selbstvermarkter, der jeden Auftritt mit selbst entworfenen Plakaten und Einladungen begleitet, entwickelt er sich zum Layouter und Kalligrafen. Damit hätte nun auch keiner gerechnet – mit einem guten Händchen für gute Sachen durch Plakatkunst dienlich zu sein [ Abb. 5 ]. Er arbeitet 2 Kluge 2018, S. 83. 3 Matthias Baader Holst, zwischen bunt und bestialisch: all die toten albanier meines surfbretts, Hasen-Verlag 1990. 25 ganzseitige Siebdrucke von Moritz Götze. Gedruckt in 200 vom Dichter und Künstler signierten Exemplaren. S. 53 [ 5 ] Plakat zu einer Auktion Oktober 1989 S. 46
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