124 gar nicht zur neuen Alternativszene passen wollten. Damit drängte das künstlerische Potenzial Götzes, das in ihm schlummerte, endgültig an die Oberfläche. Der Besuch in der Radierwerkstatt des Dresdner Künstlers Helge Leiberg besiegelte schließlich Moritz Götzes Passion für Grafik. In den 1980er-Jahren herrschte in der DDR eine »Leere, die mit heftiger, improvisierter, den knappen und aggressiven Arrangements der neuen Musik entsprechenden Kunst gefüllt werden muss [te]«.2 Entsprechend spiegeln die frühen Arbeiten von Götze wie Dancing fool von 1981 oder Hinter ihm Her aus dem Jahr 1985 die Beschränktheit des Lebens hinter der Mauer wider und den Wunsch nach Ausbruch aus den staatlichen Zwängen. Diese Gefühle verstärkten sich, als Götzes Jugendliebe 1984 in die BRD ging und er beschloss, ihr zu folgen. Der gestellte Ausreiseantrag verschlimmerte seine Situation, indem ihm der Ausweis entzogen wurde und er dazu gezwungen wurde, als Betriebshandwerker im Hallenser Kaufhaus zu arbeiten. Dann aber geschah das Unvorhersehbare: Auf der Silvesterfete 1984 traf er auf Grita Schulze, die damals noch Keramikstudentin an der Burg Giebichenstein war. Gerd Westermann nennt es »die Geburtsstunde der fröhlichen Bilderwelt, die in zahlreichen Arbeiten des Künstlers ihren Ausdruck findet«.3 Mit Grita fand Moritz Götze nicht nur sein privates Glück, auch künstlerisch begab er sich auf die Straße des Erfolgs. 1985 entdeckte er den Siebdruck als künstlerische Technik für sich, nachdem er bei Ekkeland Götze in Dresden-Wachwitz eine Privatlehre absolvierte. Im Anschluss entstanden in seiner im gleichen Jahr gegründeten Grafikwerkstatt zahlreiche Plakate und Siebdrucke. Das glückliche Zusammenfinden mit seiner heutigen Frau und die Hinwendung zu einer neuen Drucktechnik zeigt sich in den Serigrafien Grita I – III von 1985. Die S. 23 S. 24–25 schöne schwarzhaarige Grita ist im Seitenprofil lasziv rauchend dargestellt. Während auf dem ersten Blatt der Hintergrund monochrom grün ist und schräg durch einen gezackten, rot hinterlegten, schwarzen Linienblitz durchbrochen wird, werden die Hintergründe auf den Folgeblättern durch Muster sowie Farben immer wilder. Diese ersten Siebdrucke sagen viel über den Künstler und Autodidakten Moritz Götze aus und lassen Vorbilder wie David Hockney, Allen Jones oder Bob Rauschenberg, deutsche Künstler wie KP Brehmer, Wolfgang Mattheuer, Sigmar Polke, Wolf Vostell und seinen Vater Wasja Götze erkennen. Für Moritz Götze ist Pop-Art kein ausschließlich angloamerikanisches Phänomen. Auch versteht er nicht Richard Hamilton als Vorläufer der modernen PopArt, sondern Marsden Hartley,4 der 1914 in Berlin zur Avantgarde gehörte, ebenso wie Richard Lindner.5 Götze spielt mit dem Begriff Pop-Art und reizt ihn bis an seine Grenzen aus. (Kunst-)historisches genauso wie Dinge aus der modernen Alltagswelt finden sich in seinen Comic-artigen, an die Pop-Art angelehnten Werken wieder. Zwar moralisiert Götze nie offenkundig, dennoch täuscht die vordergründig intendierte Leichtigkeit seiner Arbeiten oftmals und überspielt den gesellschaftskritischen Duktus. Der Schlüssel zum tieferen Verständnis der Götze’schen Bilderwelt setzt daher ein ähnlich reichhaltiges Wissen wie das des Künstlers voraus. Manchmal treffen bei Moritz Götze aber auch Sammellust, Verfügbarkeit und Zufall aufeinander. Die Serigrafie What is in my bed? von 1986 gibt Einblick in ein spärlich eingerichtetes Zimmer. Die linke Wand ist gelb, die rechte trägt eine grau-weiß-rot gestreifte Tapete mit einem Bild, das die Sternzeichen am Firmament mit einem vorbeifliegenden Raumschiff zeigt. Auf dem Holzfußboden stehen unter anderem eine leere Vase und eine kleine Stehlampe. Das Paar in der rechten Bildhälfte – beide in bunte Kimo- S. 40–45 S. 46 2 Ebd., S. 10. 3 Westermann 1992, S. 43. 4 Zwei Werke von Marsden Hartley, die sich im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) befanden, haben Moritz Götze nachhaltig beeindruckt. 5 Vgl. Rothamel 2014, S. 7 f. 6 Vgl. ebd., S. 12.
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