Leseprobe

q 70 Christian Forster Die Bestattung von Laien in der Klosterkirche Nur eine ausgewählte Gruppe von Laien konnte sich im Inneren der Klosterkirche ein Grab bereiten lassen. Zwischen ihnen und den Leuten, die das Kirchengebäude regelmäßig oder hin und wieder aufsuchten, dürfte es allenfalls mit den Verwandten der Mönche eine Schnittmenge gegeben haben, kaum jedoch mit den Bewohnern des Pfarrsprengels. Deren Begräbnisplatz war zunächst und vor allem der Friedhof, der im Süden und im Osten der Klosterkirche lag. Dass der Lettner auch für Laienbestattungen innerhalb der Klosterkirche eine Grenze war, die nur selten überwunden wurde, kann mithilfe einer Inschriftensammlung aus der Zeit vor der Auflösung des Klosters aufgezeigt werden. Dabei wird sich herausstellen, dass es – auch in einem Männerkloster – bezüglich des Begräbnisorts keine Unterschiede für Männer und Frauen gab. Als zeitliche Grenze wird das Jahr 1450 gewählt, weil über die anschließende Epoche, in der sich mit der Einführung der Bursfelder Reform im Peterskloster auch die liturgische Praxis des Totengedenkens änderte, eine umfassende Studie von Barbara Frank vorliegt.9 Gallus Stassen, einer der letzten Bibliothekare des Petersklosters (gest. 1780), nahm 1759 und erneut 1777 alle epigrafischen Zeugnisse auf, die er in der Hauptkirche und in der Annenkapelle vorfand, überwiegend Grabplatten und Epitaphien. Er begann mit der willkürlichen Auswahl einiger Grabplatten in der Annenkapelle und ging schließlich systematisch vor, indem er die Klosterkirche von West nach Ost nach Inschriften absuchte.10 Nur wenige dürften ihm entgangen sein.11 Knapp 180 Grabstellen von Individuen, Geschwistern, Ehepaaren und Familien in und außerhalb der Klosterkirche sind durch Stassen überliefert.12 Ohne seine Dokumentation wäre die reiche Bestattungstradition des Klosters nahezu unsichtbar geblieben, denn die Grabsteine wurden 1816–1819 aus der profanierten Klosterkirche fortgeschafft und zum Umbau der Schleuse bei den Schutztürmen im Gera-Flutgraben verwendet.13 Das einzige mittelalterliche Grabdenkmal, das erhalten blieb, ist die figürlich ausgestattete Tumbenplatte von der Grablege der Grafen von Gleichen, der der Hauptteil der folgenden Betrachtung gewidmet ist. Gallus Stassen begann seine Inschriftensammlung im »Paradies«. Ein Rest der romanischen, ursprünglich dreischiffigen Vorkirche existierte auch noch nach dem Bau der neuen Abtei, die 1693/94 vor der Westfront der Kirche errichtet worden war, als Halle in dessen Erdgeschoss fort (Abb. 2, 3).14 1777 waren in diesem Bereich noch neun Bestattungen festzustellen, die alle in die Abb. 3 Klosterkirche von Westen, Zustand 2018 (Foto: Christian Forster). Abb. 2 Grundriss des Petersklosters, Erdgeschoss und Obergeschoss, Bauaufnahme des Bauinspektors Schmidt von 1805, Stadtarchiv Erfurt, 6-0/01-I P2a Nr. 3384.

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