Leseprobe

Spätgotische Wandmalereien im salzburgisch-bayerischen Grenzgebiet: St. Philippus und Jakobus in Abtsdorf 173 q (heute) schwärzlichen Zweigen setzt sowohl in der linken, als auch in der rechten unteren Ecke an den jochgliedernden Wandvorlagen an. Wie sich beide Ranken in je unterschiedlicher Weise vor dem Tondo in der Mitte einrollen, lässt den Willen zur Integration des Apostelbildes erkennen, ohne dass sich in diesem Fall daraus eine zeitgleiche oder -versetzte Entstehung ableiten lässt. Ebenso zentriert erhebt sich darüber die eindrucksvolle, das Bildfeld füllende Figur des Hl. Christophorus mit dem Christuskind. Breitbeinig steht er im Fluss, mit leicht gebeugten Knien und nach außen weisenden Füßen. Dieser frontalen Ausrichtung widerspricht ein ausgeprägter Hüftknick, der eine Bewegung des Oberkörpers zur Seite, nach (heraldisch) links, anzeigt; verstärkt durch den Griff mit ausgestrecktem Arm zum mächtigen Stab – ein ganzer Baum mit Wurzeln und Krone, die über den Schildbogen hinaus ins Gewölbe zu wachsen scheint. Diese Bewegung lässt sich als eine Art Ausweichen unter der Last des Kindes auf der rechten Schulter lesen, zu dem Christophorus den Kopf zurückwendet. Der Knabe erwidert diesen Blick, während seine Rechte weit ausholend und für die Eintretenden gut sichtbar zum Segensgestus erhoben ist. In seinem weißen Kleid mit vorne geteiltem rotem Kragensaum lassen sich wenige dünne Linien ausmachen, die einen im Sitzen entstehenden Faltenwurf anschaulich machten. Die Frage, wo und wie genau das Kind positioniert ist, wird dadurch unwichtig, dass sein gesamter Körper an Nacken, Schulter und Kopf seines Trägers geschmiegt ist und dort Halt findet. Der Verankerung beider sowohl miteinander als auch im Bildfeld dienen auch die gegengleich ausschwingenden weißen Bänder vom Gewand des Kindes und von der Stirn des Christophorus. Die Kleidung des Christusträgers gibt Rätsel auf, da im heutigen Zustand der Verlauf der Arme im kurzen taillierten Rock und dem aufgebauschten Schultermantel, dessen farblich abgesetztes Innenfutter durch die Bewegung nach außen umschlägt, nicht mehr klar zu erkennen ist; nur die Hände geben einen Hinweis darauf, wie er mit der Linken seitlich nach oben zum Stab und mit der Rechten zur Körpermitte nach unten an den Gürtel bzw. einen daran befestigten Beutel greift.28 Die reiche Ornamentierung des Rockes in farbigen Streifen mit fein gezeichneter Rankenmusterung29 verstärkt die Verwirrung, da diese die Körperformen und -bewegungen überlagern, den beschriebenen Hüftknick durch ihren Verlauf aber stark betonen; flächige Ergänzungen durch die Restaurierung verunklären zusätzlich die Gestaltung. Allerdings deuten einige schwarze Linien noch auf eine verlorene Binnenzeichnung und Abschattierung von vertikalen Faltenstegen hin, was einen ganz anderen Eindruck eines ursprünglich plastisch modellierten Gewandes vermuten lässt. Der Saum eines roten Hemdes, das unter dem bunten Rock in Kniehöhe hervorlugt, Abb. 5 Nordwand der Filialkirche St. Philippus und Jakobus, Blick vom Altar, Abtsdorf, 15. Jh. (Foto: Heidrun Stein-Kecks).

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