Leseprobe

Friedrich III. (geb. 1415, 1440 König, 1452 Kaiser, gest. 1493) ist erklärtermaßen Markus Hörschs zweiter Lieblingskaiser.1 In mehreren Texten beschäftigte er sich mit dem kunstsinnigen Habsburger, wobei er wiederholt Bezüge zur Nürnberger Kunst herstellte: So konnte er 1994 nachweisen, dass die eigenwilligen Malereien des Allerheiligenretabels aus Kleinschwarzenlohe bei Nürnberg künstlerisch eng mit den Miniaturen eines Gebetbuchs zusammenhängen, das der in Regensburg und Wien tätige Buchmaler Martinus Opifex 1447/48 für den König illuminierte.2 2016 befasste er sich in einem Aufsatz mit den Funktionen, der Ausstattung und Architektur der Wiener Neustädter Burgkirche St. Georg.3 Wieder führte eine entscheidende Spur nach Nürnberg, denn Hörsch stellte die These auf, der Grundriss dieser Kirche basiere auf einem Zitat der staufischen Doppelkapelle der dortigen Reichsburg. Friedrich III. als Bauherr habe den Typus der quadratischen Halle mit drei mal drei Jochen über vier Rundstützen ohne Vorlagen aus Nürnberg übernehmen und dabei gleichsam verdoppeln lassen, um ihn so dem querrechteckigen Grundriss der Wiener Neustädter Burgkirche anzupassen: Das westliche der Quadrate (eigentlich zwei etwas schmalere Rechtecke) bildete das Langhaus, das östliche, etwas reicher gegliederte den Chor.4 Als Vorbild für eine solche kaiserliche Adaption der Nürnberger Burgkapelle versteht Hörsch die Frauenkirche Kaiser Karls IV. am Hauptmarkt in Nürnberg, die in analoger Weise »diese Architekturform in die gotische Formenwelt transponiert hatte«.5 Hörsch erklärt dies aus »Friedrichs III. fast schon verbissene[m] Bedürfnis, seine Legitimation zu sichern«, und hält es für »eigentlich selbstverständlich, dass er für seine Burgkirche auf Bauformen zurückgriff, die ihn über Karl IV. letztlich mit den Staufer-Kaisern verbanden«.6 Dass sich der Habsburger des ideologischen Potenzials der Nürnberger Burgkapelle als Kaisermonument tatsächlich vollkommen bewusst war und dieses für seine Selbstdarstellung nutzte, belegt die Stiftung eines Retabels auf dem nördlichen Seitenaltar der Oberkapelle im Jahr 1487, knapp drei Jahrzehnte nach Weihe der Wiener Neustädter Burgkirche (Abb. 1–9). Durch die Markierung dieses bedeutenden Erinnerungsortes des Reiches mit einem solchen Denkmal und dessen dezidiert kaiserliches Bildprogramm inszenierte Friedrich sich und seine Dynastie als rechtmäßige Inhaber der Reichskrone. Damit steht das Retabel im Kontext einer Strategie, die Friedrich anlässlich der Königskrönung seines Sohnes Maximilian I. vergleichbar auch in einem Wandmalereizyklus in der Chorhalle des Aachener Münsters verfolgte, der im zweiten Teil dieses Aufsatzes behandelt wird (Abb. 22–25). Aufbau des Nürnberger Retabels Während Gehäuse und Flügel des Retabels 1945 auf der mittelfränkischen Cadolzburg verbrannten, überlebten die Schreinskulpturen den Krieg im sogenannten Kunstbunker im Nürnberger Burgberg und werden heute wieder in der Burgkapelle präsentiert (Abb. 1–2).7 2013 publizierte Johannes Erichsen eine Gesamtansicht des Denkmals vor seiner Zerstörung von Ferdinand Schmidt, auf der allerdings kaum Details ablesbar sind.8 Doch finden sich im Denkmalarchiv Dr. Nagel in der Grafischen Sammlung der Stadt Nürnberg detailreiche Schwarz-Weiß-Fotografien der meisten Gemälde des Retabels, die um eine weitere Aufnahme aus dem Nürnberger Stadtarchiv ergänzt werden konnten.9 Einige davon haben wir im Katalog der Nürnberger Ausstellung zu Michael Wolgemut 2019 abgedruckt,10 weitere Christian Forster in seinem grundlegenden Aufsatz zur Nürnberger Burgkapelle im selben Jahr in den Studia Jagellonica (Abb. 1–9).11 Die hohe Qualität der Fotografien ermöglicht es, sich ein detailliertes Bild von der verbrannten Altartafel zu machen. Das Retabel besaß vier Schreinskulpturen,12 Abb. 1 Werkstatt Michael Wolgemuts/Nürnberger Bildschnitzer (Umfeld oder Werkstatt Sixtus Freis?), Retabel Kaiser Friedrichs III., 1487, ehemals Nürnberg, Oberkapelle der Kaiserburg (Foto: Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Grafische Sammlung).

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1