11 Margit Emmrich, Susanne Keichel und Stephan Takkides, die drei Preisträger*innen des BMW Photo Award Leipzig 2024, setzen sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen auseinander. Alle drei nutzen zu diesem Zweck dokumentarfotografische Mittel. Timm Starl hat in seiner Definition des Begriffs darauf hingewiesen, dass jede Fotografie ein Dokument ist, da »sie auf etwas verweist, das gewesen ist«. »Insofern ist ›dokumentarische Fotografie‹ ein ungenauer Terminus.«1 Um hier Abhilfe zu schaffen, unterscheidet Starl zwischen drei Varianten dokumentarischer Fotografie, der archivalischen, der dokumentaristischen und der konzeptuellen.2 »Dabei überwiegt bei der ersten die Absicht, sich einen mehr oder weniger repräsentativen Überblick zu verschaffen, bei der zweiten, Erscheinungen aus durchaus subjektiver Sicht zu beschreiben und bei der dritten, sich eines dokumentarischen Stils sozusagen als Geste zu bedienen. Bei der archivalischen Variante werden Gegenstände und Vorgänge in ihrem Aussehen, Auftreten oder in ihrer Entwicklung möglichst umfassend und genau […] aufgezeichnet, so dass das gewonnene Material bis zu einem gewissen Grad analytischen Ansprüchen genügt. Bei der dokumentaristischen Variante werden Erscheinungen im Hinblick auf ihre Wirkung, die sie auf den oder die BildautorIn ausüben, dargestellt, wobei deren individuelle Erfahrungen und das aktuelle Empfinden maßgebend die Wahl der Motive und die kompositorischen Elemente bestimmen. Bei der konzeptuellen Variante wird eine Vorgehens- oder Betrachtungsweise gewählt, ohne auf die Funktion des Gegenstands, das Verhalten von Personen oder das jeweilige Erscheinungsbild der Motive Rücksicht zu nehmen. […] Die Sichtweise der BildautorInnen könnte man – etwas plakativ – auch dermaßen skizzieren, dass im ersten Fall die Erscheinungen von außen und möglichst nüchtern registriert werden, im zweiten Fall der oder die FotokünstlerIn zwischen die Personen oder Dinge tritt und bei deren Anblick den eigenen Empfindungen Ausdruck verleiht, und im dritten Fall die Bildobjekte, die ins auktoriale Blickfeld treten, nach einem einheitlichen Muster fotografisch arrangiert werden.«3 With their artistic work, the three winners of the BMW Photo Award Leipzig 2024, Margit Emmrich, Susanne Keichel und Stephan Takkides, engage with current social issues. In pursuing this aim, all three use documentary photography. As he came up with his definition of this term, Timm Starl indicated that every photograph is a document because “it refers to something that existed […] Hence, ‘documentary photography’ is an inexact term.”1 In an attempt to solve this problem, Starl differentiates between three varieties of documentary photography: archival, documentaristic, and conceptual.2 “In the first case, the intention is to gain a more or less representative overview; with the second, to describe phenomena from a relatively subjective point of view; and in the third, to employ a documentary style as a gesture of sorts. In the archival variant, objects and processes are recorded as comprehensively and accurately as possible in terms of their appearance, occurrence or development […] so that the material satisfies analytical requirements to a certain extent. With the documentarian variant, phenomena are rendered with regard to the effect they have on the picture’s author, his/her individual experiences, and their current perception, which determines the choice of motifs and compositional elements. In the conceptual variant, a method of approaching or viewing things is chosen regardless of the object’s function, people’s behaviour, or the appearance of each motif. […] The author’s perspective could also be outlined – somewhat boldly – in a way that in the first case, appearances are perceived externally and as objectively as possible, in the second case, the photographer artist themself steps between people or things and expresses their own feelings in their presence, and in the third case, the image objects that enter the author’s field of vision are arranged photographically in a uniform pattern.”3
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