Leseprobe

50 heit mit der Kunstproduktion der eigenen Zeit vorhanden sind und – last not least – die besten Charaktereigenschaften, so bin ich überzeugt, dass Frau Dr. Stirnemann den Wirkungsbereich in Jena [. . .] aufs beste ausfüllen wird.«7 Stirnemann selbst gibt im Lebenslauf an, sieben Monate »Stellvertretende Direktorialassistentin«8 gewesen zu sein. Ein Amt, das es formell zwar nicht gab und in das sie offiziell nicht berufen worden war, doch bildete die Formulierung vermutlich recht treffend die Einschätzung ihrer Tätigkeiten in Oldenburg ab. Am 1. April 1930 wird sie – nach einem Beschluss des Theater- und Museumsauschusses der Stadt Jena vom 10. März 1930 – mit 30 Jahren zur Museumsdirektorin berufen.9 Zunächst ist die Leitung auf ein Jahr befristet. Zusätzlich zum Haupthaus des Stadtmuseums übernimmt sie auch die Leitung des Siedelhofes.10 Das von Weber vor dem Abbruch gerettete Weinbauerngehöft – »ein gotischer Ständerbau mit romanischen Grundmauern und Renaissanceportal«11 – wird von ihr museal ausgebaut, und bereits Ende Juli 1930 veröffentlicht sie einen Führer hierzu.12 Unterstützt wird Stirnemann von einem kleinen Team, das – neben einer geringen Zahl an Aufsichtskräften – zu dieser Zeit lediglich aus zwei weiteren Personen besteht: dem im Museumsgebäude wohnenden Museumswart Hermann Harrass,13 der bereits seit 1925 für das Museum tätig ist,14 und der seit 1926 am Stadtmuseum tätigen Sekretärin Helene Marcus.15 Während Paul Weber lediglich einen Ehrensold von jährlich 2 000 RM erhalten hatte,16 bezieht Stirnemann als Direktorin – ausgestattet mit einem Privatvertrag – ein Jahresgehalt von etwa 4 880 RM, Helene Marcus von etwa 2045 RM, Harrass von etwa 2 730 RM.17 Der Siedelhof in Jena, ca. 1930, Fotografie, Stadtmuseum Jena

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