Leseprobe

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Hanna Hofmann-Stirnemann rehabilitiert.1 »Unbelastet« vom Nationalsozialismus wird die ungewöhnliche »Frau Doktor« im August 1945, nach dem Rückzug der US-Truppen und der Übergabe Thüringens an die Rote Armee, durch den Landrat des Kreises Stadtroda zur Bürgermeisterin von Hainichen berufen.2 Im Februar 1946 wird sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), die unter dem Druck der sowjetischen Besatzungsmacht im April 1946 mit der Kommunistischen Partei (KPD) zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) zwangsfusioniert wird. In diesem Frühjahr gelingt Hanna Hofmann-Stirnemann noch einmal die Rückkehr in ihren Beruf: Nachdem sie sich – offenbar ohne Erfolg – im Januar 1946 um die Leitung des Herzoglichen Museums in Gotha beworben hatte,3 wird sie am 1. April 1946 zur Direktorin des Schlossmuseums Rudolstadt und Landesmuseumspflegerin von Thüringen ernannt. Landesmuseumspflegerin In der Funktion der Museumspflegerin ist Hofmann-Stirnemann für die Beratung von 102 Museen Thüringens zuständig und bereist von Mai bis November 1946 eine Vielzahl an Einrichtungen, um zunächst zu erkunden, welche Museen es noch gibt, wer ihre Leiter sind und über welche politische Vergangenheit diese verfügen. Zerstörungen der Museumsgebäude, zerstörte oder verschleppte Bestände: Die Probleme sind vielseitig und umfangreich. Mit Bahn und Auto besucht sie u. a. Altenburg, Apolda, Bad Liebenstein, Camburg, Eisenach, Gera, Gotha, Greußen, Schmalkalden, Weimar und Weida sowie ihre ehemaligen Wirkungsstätten in Greiz und Jena. In ihrem ausführlichen »Bericht über die Museumsarbeit des Landes Thüringen seit 1945« schreibt sie: »Mit den Bürgermeistern (z. T. Neubürgern) wurde über die Aufgaben und Ziele des betreffenden Museums gesprochen, seine Bedeutung für die demokratische Umerziehung und für eine lebensnahe Heimatkunde. [...] Bei diesen Besuchen war es häufig notwendig bei den örtlichen Instanzen mit gewissen nicht unberechtigten Vorurteilen aufzuräumen, die sich aus der Darbietung der Museen als Antiquitätenkabinetten, um nicht zu sagen Rumpelkammern, herausgebildet hatten. [...] Bei dieser ersten Überprüfung mußten die kleinen Museen auch vielfach noch von militaristischen und nazistischen Beständen gereinigt werden, die trotz vorausgegangener schriftlicher Aufforderung noch darin verblieben waren [...]. Eine Reihe von Museen, die als solche gemeldet waren, konnten nach dieser Besichtigung nicht mehr als Museen geführt werden wegen der Geringfügigkeit und Bedeutungslosigkeit ihrer Bestände, die mehr zufällig da zusammengekommen waren und keine sinnvolle Abfolge oder auch nur eine für den Ort bemerkenswerte Abteilung ergeben hätten. [...] Bei einer Reihe von Museen wurde die Anregung gegeben, die Abteilungen, die für den betr. Ort besonders charakteristisch sind, noch sinnfälliger und anschaulicher darzustellen und aufzubauen [...].

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