Leseprobe

20 | Ulrike Weinhold | Theresa Witting Beamte dieser Institution wurden zuweilen auch mit der Aufnahme eines Vermögensverzeichnisses beauftragt. Ein solches, ausgefertigt nach dem Tod Christians II. im September 1611, umfasst auch einige Silbergegenstände, die mit den eingeschlagenen Nummern versehen sind, darunter etwa das als Taufgarnitur verwendete Perlmutterlavabo (Kat.-Nr. 168). Die Beamten der Rentkammer hatten offenbar nach dem Tod des regierenden Kurfürsten diejenigen Objekte erfasst, die eigentlich in der Schatz- oder Silberkammer inventarisiert waren, sich aber vorübergehend und für speziellen Gebrauch an einem anderen Ort befanden. Auch ein mit den eingeschlagenen Zahlen 31 und 543 versehener Kokosnusspokal (Kat.-Nr. 54) mag in diese Richtung verweisen. Die erste der beiden Nummern bezieht sich auf die Silberkammer, in deren Inventar von 1581 bis 1586 er unter der Nummer 31 aufgelistet ist.16 Auf dem Fußrand des Gefäßes wurde zudem ein herzoglich-sächsisches Wappen eingeschlagen, vermutlich als Besitzerstempel (Abb. 5); Zeitpunkt und Kontext der Anbringung konnten bislang nicht ermittelt werden.17 Wieder andere Inschriften finden sich auf den silbernen Trinkgefäßen in den Kurfürstlichen Gemächern (Kat.-Nrn. 10–12, 15, 16, 162). Diese Punzierungen, bestehend aus »R. Kam– er« (für Rüstkammer) in Kombination mit einer Nummer- und Gewichtsangabe, korrelieren mit dem entsprechenden Inventar von 1683/84 und wurden, wie dort vermerkt ist, im Auftrag des Oberstallmeisters Hans Georg von Schleinitz durch den Hofsilberarbeiter Niclas Bülle 1683 angebracht.18 Ein weiteres Nummernsystem war offenbar im 19. Jahrhundert in Verwendung, dieses Mal aufgetragen mit weißer Lackfarbe. Vermutlich erfolgte diese Kennzeichnung im Zusammenhang mit der Inventarisierung des Silbervergoldeten Zimmers von 1817 (Abb. 6). Da sie Reinigungsvorgängen oftmals nicht standhielten, haben sich diese Nummern nur in wenigen Fällen erhalten (Kat.-Nrn. 3, 4, 11). Der reiche Fundus der im Hauptstaatsarchiv verwahrten Akten, insbesondere der Bestandsgruppen Oberhofmarschallamt, Geheimer Rat, Geheimes Kabinett, Finanzarchiv und Rentkammer, bilden die Grundlage für weitere Recherchen zu Provenienzen, wechselnden Standorten und Funktionen der Silberobjekte.19 Die Schatzkammer im 16. und frühen 17. Jahrhundert Das erste Inventar des Grünen Gewölbes von 1586/87 Einen ersten Beleg für den Bestand des Grünen Gewölbes bildet ein Verzeichnis von 1586/87, angelegt nach dem Tod Kurfürst Augusts unter dessen Sohn und Nachfolger Christian I.20 Es steht am Beginn der Entwicklung vom Schatzdepot zum Museum. Untergebracht in acht Schränken verwahrte die bereits damals im Westflügel des Dresdner Residenzschlosses befindliche »Geheime Verwahrung des Grünen Gewölbes« Erzstufen, Gefäße aus Gold, Edelsteine und Bernstein, Schmuckkästchen und Kleinodien unterschiedlichster Art. Der dort ebenfalls aufgeführte, sehr disparate Bestand an Silbergegenständen umfasste vor allem Trinkgefäße, teils in Tiergestalt oder als Doppelscheuern, aber etwa auch Flaschen, Schenk- und Deckelgefäße, Salzfässchen oder Bestecke und damit ganz offenbar durchaus auch zum Gebrauch vorgesehene Stücke.21 Aufgrund der sehr summarischen Nennung ist eine konkrete Zuordnung zu bestimmten, erhalten gebliebenen Werken nur in Einzelfällen möglich, so bei der Daphne (Kat.-Nr. 99), dem Nautiluspokal auf Adlerklaue (Kat.-Nr. 22), den beiden Bechern mit Hinterglasmalerei (Kat.-Nr. 142), der Schubkarrengruppe (Kat.-Nr. 94), der Giftprobe (Kat.-Nr. 155) oder dem Natternbaum (Kat.-Nr. 243). Die Hofsilberkammer Gleichermaßen disparaten Charakter besitzt zu jener Zeit die Hofsilberkammer, die in drei Räumen im Erdgeschoss des Ostflügels untergebracht war.22 Den stichwortartig angelegten Verzeichnissen aus dem 16. Jahrhundert ist zu entnehmen, dass dort in jener Zeit auch Schmuck und ungefasste Edelsteine sowie Erzstufen aufbewahrt wurden.23 Erst Kurfürst Johann Georg I. bemühte sich kurz nach seinem Regierungsantritt 1612 um eine deutlichere Abgrenzung zwischen der Silberkammer und den eigentliAbb. 5 Eingeschlagener Besitzer- stempel (Kat.-Nr. 54) 16 In diesem Inventar sind nicht alle Objekte nummeriert. 17 Denkbar wäre eventuell ein Zusammenhang mit Herzog August, dem 1616 verstorbenen Bruder von Christian I. und Johann Georg I. Die oben erwähnte große Deckelkanne trägt eine sehr ähnliche Punzierung, die höchstwahrscheinlich vor 1638 eingeschlagen worden sein muss, siehe Anm. 6. 18 Inventar kurfürstliche Gemächer 1683/84, fol. 48 r. 19 Die wichtigen Fragen nach der Verwendung der Goldschmiedearbeiten im Rahmen der fürstlichen Geschenkkultur und der Silberbuffets wurden bereits in einem gesonderten Projektschwerpunkt behandelt und publiziert, Weinhold/Witting 2020. Sie werden daher in diesem Beitrag weitgehend ausgeklammert. 20 Inventar Schatzkammer 1586/87, zur Goldschmiedekunst am Dresdner Hof um 1600 siehe Weinhold 2004/05; Syndram 2021 a, S. 9 f.

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