Leseprobe

��������������������������������������������� | 59 Die als logarithmische Spirale gewundenen Gehäuse der Nautili als mathematisch erfassbares Prinzip der göttlichen Schöpfung regten die Goldschmiede zur Beschäftigung mit praktischer Geometrie an. Es ist sicherlich kein Zufall, dass zeitgleich zum Hauptaufkommen von Nautilusgefäßen um 1600 auch die Entdeckung der Logarithmen in der Mathematik gelang.19 Im Rahmen der frühneuzeitlichen Naturbetrachtung und -erforschung war man bestrebt, den Kosmos mit seinen zugrunde liegenden Strukturen abzubilden.20 Dies geschah unter anderem ganz praktisch durch die Darstellung von der Natur inhärenten geometrischen Grundformen und spiegelt sich zudem in den zeitgenössischen Perspektivtraktaten, welche durchaus teilweise von Goldschmieden verfasst wurden.21 Auch die sich auf den manieristischen Silberarbeiten oft tummelnden kleinen Tiere in Form von Naturabgüssen stehen für die Bemühungen der Meister, die Natur in einem schöpferischen Prozess zu erkunden und sich dabei zugleich als Schöpfer zu generieren (Abb. 4).22 Für diese spezielle Gusstechnik maßgeblich waren die damals für ihre Leistungsfähigkeit und den hohen Qualitätsstandard berühmten Nürnberger Werkstätten. Doch in Augsburg und anderen Städten versuchte man ebenfalls, auf die in den Jahrzehnten um 1600 deutlich gestiegene Nachfrage nach derartigen Kunstkammerstücken zu reagieren.23 Nur selten verwendeten die Goldschmiede die Nautilusgehäuse in ihrem getigerten Naturzustand (siehe Kat.-Nr. 157); zumeist bevorzugten sie das Material in seiner veredelten Erscheinungsform mit der durch Abbeizen sichtbar gemachten, polierten Perlmutterschicht. Daneben kamen Gehäuse zum Einsatz, deren Oberflächen mit ornamentalen und figürlichen Darstellungen versehen waren. Das Formenrepertoire dieser in Flachreliefs und Blindgravur ausgeführten Dekore umfasst vor allem Kraniche, Fische Abb. 3 Kästchen Gujarat (Perlmutterarbeit), Niclaus Schmidt, Nürnberg, um 1592–1594 Holz, Perlmutter, Silber, vergoldet, H 17 cm, B 27,5 cm, T 17,5 cm SKD, Grünes Gewölbe, Inv.-Nr. III 55 19 Mette 1995, S. 44–57. 20 Smith 2004, S. 80. 21 Haug 2021, S. 277. 22 Zusammenfassend zu den Naturabgüssen auf Goldschmiedearbeiten vgl. Witting 2018, S. 100–105. 23 Nautilusgefäße gab es in Europa bereits im Mittelalter. Vgl. Rasmussen 1983; zum mittelalterlichen Handel mit Perlen vor allem über Venedig vgl. Büttner 2000, S. 21 f.

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