Leseprobe

68 | Im Silberbestand des Grünen Gewölbes nehmen die insgesamt 210 Trinkgeschirre breiten Raum ein. Eine Vielzahl unterschiedlichster Gefäßtypen führt fast die gesamte Bandbreite dieser Objektgruppe vor Augen, die das eindrucksvolle Herzstück des Bestands bildet. In formaler wie auch materieller Hinsicht vielseitig gibt sich das Konvolut der insgesamt 105 Pokale. Neben den Buckel-, Renaissance- und Doppelpokalen umfasst es solche mit Kokosnuss, Rhinozeroshorn, Koralle, Straußeneiern sowie Pokale mit einer Kuppa aus Bergkristall, Nephrit oder Jaspis. Den mit Abstand größten Posten bilden allerdings die 27 Nautiluspokale, gefolgt von den zwölf Pokalen mit anderen Konchylien. Diese exotischen Naturalien herrschen auch in der ebenfalls umfangreichen, 57-teiligen Gruppe der figürlichen Trinkgeschirre vor. Hier sind neben den weit verbreiteten Typen wie Schiffs-, Jungfrauen- und Globuspokale sowie tiergestaltigen Gefäßen ebenso originelle Einzelstücke zu nennen, wie etwa der Pokal in Gestalt eines Schlösschens (Kat.- Nr. 87), der Ziehbrunnen (Kat.-Nr. 86) oder der Mörser (Kat.-Nr. 89). Waren diese Objekte tatsächlich für den Gebrauch bestimmt, oder dienten sie ausschließlich als pretiöse Sammlungsstücke bzw. der fürstlichen Repräsentation? Die Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Prinzipiell lässt sich belegen, dass solche Prunkstücke durchaus gelegentlich als Trinkgefäße benutzt wurden.1 In den Quellen findet sich dazu so mancher Hinweis. Ein 1584 datierter Briefwechsel zwischen dem Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und dem Nürnberger Goldschmied und Agenten Wolf I Mayer gibt Auskunft darüber, wie und wo ein Trinkgeschirr in Gestalt eines Hirsches zu öffnen sei. Der Auftraggeber formulierte seine speziellen Vorstellungen in einem Schreiben, das sich vermutlich auf eine beigefügte Visierung bezog: »Wo man denn Hirsch uffthuenn Undt einschenckenn soll, weist das schwartze strichleinn Am Halse aus, Welches du Inn Acht zunehmenn. Das thuenn Wir Unns Also Versehenn.«2 Dieses Zitat legt beredtes Zeugnis ab, dass dieses tiergestaltige Gefäß tatsächlich für die Benutzung vorgesehen war. Werden die Trinkgeschirre in den Inventaren oder anderen Quellen explizit als Willkommpokale bezeichnet, so ist prinzipiell von einer zumindest phasenweisen Nutzung THERESA WITTING | ULRIKE WEINHOLD Exklusive Trinkgefäße Zwischen Tafelfreuden und Schatzkunst

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