70 | Theresa Witting | Ulrike Weinhold gestalteten Geschirre bestanden aus dem Rock, der als großer Sturzbecher fungierte (und damit nur leer abgestellt werden konnte), und der kleinen, beweglich gelagerten Kuppa, welche die Figur in ihren Händen hält. Die beiden Protagonisten hatten ihr Trinkverhalten so zu koordinieren, dass der Bräutigam das große und die Braut das kleine Gefäß gleichzeitig leerten, ohne etwas zu verschütten.5 Ein spezifisches und eher selten anzutreffendes Merkmal der beiden Dresdner Jungfrauenbecher sind ihre aus Turbanschnecken gebildeten kleinen Kuppen. Dies verbindet sie mit weiteren Prunkgefäßen, oft auch in Gestalt von Tieren, deren Körper von einer Seeschnecke, einem Nautilus oder einem Straußenei gebildet werden. Bei diesen fragilen Trinkgeschirren mit außereuropäischen Naturalien ist die Sachlage deutlich komplexer. Deren empfindliche Ränder wurden mit einer silbervergoldeten Montierung eingefasst, um praktisch nutzbare Gefäße herzustellen. Allerdings war aufgrund der Materialkombination vermutlich nicht immer eine ausreichende Dichtigkeit an den Verbundstellen zwischen den organischen Teilen und der Goldschmiedefassung gegeben. Besonders gut zeigt sich dies an den Trinkgefäßen in Gestalt von Straußen, deren Körper jeweils aus einem Straußenei bestehen (Abb. 1 und Kat.-Nr. 114). Dies legt nahe, dass diese skurrilen Goldschmiedewerke keine praktische Funktion erfüllten, sondern in der Kunstkammer, wo sie über lange Zeit hinweg aufbewahrt wurden, vor allem für den Einfallsreichtum des Goldschmieds standen und repräsentativen Zwecken dienten. Abb. 2 Goldener Hahn von Münster Georg Rühl, Nürnberg, vor 1621 Silber, vergoldet, Farbsteine, H 41,5 cm Münster, Stadtmuseum
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