Leseprobe

74 | EVE BEGOV Löten, stiften, schrauben Gedanken zu goldschmiedetechnischen Verbindungen Bei der Betrachtung eines Goldschmiedewerks wird die Wahrnehmung meist auf die Kunstfertigkeit der Ausführung, seine ikonografische Bedeutung und gegebenenfalls auch seinen Verwendungszweck gerichtet. Dabei bedingt der funktionelle Charakter dessen Form, das heißt eine Kanne sollte neben dem Korpus einen Ausguss und einen Henkel aufweisen, bei einem Pokal hingegen tragen Fuß und Schaft die Kuppa. Nicht ohne Weiteres erschließt sich, aus wie vielen Einzelteilen das Werk tatsächlich besteht (Abb. 1 und 3). Noch schwerer ersichtlich ist, auf welche Weise der Goldschmied die einzelnen Teilstücke montiert hat. Die Entscheidung für eine bestimmte Art der Montage wird dabei keineswegs willkürlich gefällt, sondern ist häufig technisch bedingt bzw. direkt an die Funktion gekoppelt. Im Folgenden werden, fokussiert auf die im Grünen Gewölbe besonders zahlreich vertretenen Gefäße mit Naturalien, die unterschiedlichen Fügetechniken zunächst aus Sicht des Goldschmieds und anschließend aus restauratorischer Perspektive erläutert. Im Anschluss geht es um die Frage, ob spezielle Verbindungselemente als Zuschreibungsmerkmale herangezogen werden können. Die grundlegenden Fügeverfahren Als Löten wird eines der ältesten Fügeverfahren bezeichnet, bei dem mittels eines Lotes1 unter Zugabe von Hitze zwei oder mehrere Einzelteile an den Nahtstellen dauerhaft miteinander verschmolzen werden. Während des Lötvorgangs besteht die Gefahr, dass die zu verbindenden Teilstücke aufgrund von Überhitzung Schaden nehmen können. Lötungen sind sehr tragfähig, können aber nicht mehr ohne Weiteres gelöst werden. Aus diesem Grund kommen sie zum Einsatz, wenn eine dauerhafte Stabilität vonnöten ist, etwa bei der Befestigung der zentralen Achse2 eines Pokals an Fuß oder Kuppa. Aber auch Profilreifen an Lippenrand und Standfuß oder Zierelemente wie Schnörkel und figürliche Applikationen werden meist fest mit dem Gefäß verlötet. Kann oder soll keine Hitze auf die Einzelteile einwirken, besteht die Möglichkeit, diese mechanisch miteinander zu verbinden. Je nach Anforderung können die Teilstücke gesteckt, vernietet oder verschraubt werden. Selbstverständlich ist auch die Kombination unterschiedlicher Fügemethoden eine Option. 1 Als Lot wird eine Legierung bezeichnet, die einen niedrigeren Schmelzpunkt hat als die zu verbindenden Metallteile. 2 Meist eine Gewindestange. 3 Eine Scharnierverbindung kann nur gelöst werden, indem die Achse (Nietstift) entfernt wird. Da diese in der Regel als konischer Stift ausgeführt ist, lässt sie sich meist leicht »ausschlagen«. 4 Das Nieten zählt zu den formschlüssigen Verbindungen. Je maßhaltiger die Bohrung und der Nietstift ausgeführt sind, desto spielfreier und stabiler ist die Verbindung. 5 Dies führt häufig zur Beschädigung des Nietstifts.

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