Digitale Markenfotografie | 87 Exemplarisch dienten eine Meistermarke des Goldschmieds Georg Rühl sowie eine Nürnberger Beschaumarke auf einer Kettenflasche als Versuchsvorlage (Abb. 2). An den davon abgenommenen Silikonabdrücken wurden neben Infrarotaufnahmen auch Versuche mittels RTI-Fotografie durchgeführt.6 Weitere Tests erfolgten an einem professionellen 3-D-Scanner im Landesamt für Archäologie Sachsen und auch an einem Rasterelektronenmikroskop, wobei der Abdruck in diesem Gerät nicht beschichtet werden musste.7 Bald stellte sich heraus, dass die Beschaffenheit der teils schon mehrere Jahre alten Silikonabdrücke dem Qualitätsanspruch einer bestmöglichen Markenabbildung im Katalog nicht mehr genügen würde. Die 3-D-Scans und REM-Aufnahmen wären nur mit externen Dienstleistern zu bewerkstelligen gewesen, weswegen beide Technologien letztlich aus Zeit- und Kostengründen ebenfalls ausschieden. Aufgrund der geänderten Ausgangslage fokussierte sich die weitere Recherche auf die Suche nach einer Möglichkeit, die Marken direkt am Objekt abzufotografieren. Selbst aktuellste digitale Spiegelreflex- und Systemkameras bieten trotz hoher Bildauflösung und hochwertiger Objektivtechnik nicht die notwendige Flexibilität in der Handhabung, da sich die Silbermarken oft versteckt an sehr schwer zugänglichen Bereichen der Objekte befinden und damit in vielen Fällen nicht verzerrungsfrei zu fotografieren sind. Fototechnik mit einem möglichst kleinen Objektivdurchmesser und spezieller Makrofunktion ist daher für die Markendokumentation grundsätzlich am besten geeignet. Mikroskopische Digitalfotografie Die Suche nach dem passenden Equipment führte letztlich zur mikroskopischen Digitalfotografie. Vorrangige Anwendungsbereiche dieser Technologie sind zumeist in der industriellen Material- und Qualitätskontrolle sowie in der Mikroelektronik zu finden. Verschiedene Hersteller bieten diverse All-in-one-Konzepte (Betrachten – Dokumentieren – Messen) inklusive intuitiver Bedienung einer aufeinander abgestimmten Hard- und Software an. Zudem implementiert die neueste Generation digitaler Mikroskopkameras hochauflösende 4-K-Mikroskopie mit diversen Beleuchtungsmöglichkeiten direkt am Objektiv sowie automatisierte Tiefenschärfe, wodurch feinste Details visualisiert werden können. Das Digitalmikroskop besteht im Einzelnen aus komplexen Komponenten sowie einer speziell angepassten Gerätesoftware, wodurch für den vorgesehenen Einsatz eine hohe Detailgenauigkeit und Feinzeichnung garantiert sind. Gleichzeitig können dunkle Bereiche aufgehellt sowie helle Überstrahlungen abgedunkelt werden.8 In jedes Foto lässt sich ein Maßstab mit Millimeterangaben einblenden, der sich auch bei Änderungen der Vergrößerung fortwährend anpasst (Abb. 4). Dieser ersetzt das Mitfotografieren von Miniaturmaßstäben und ist für die Bildnachbearbeitung sehr wichtig. 2020 konnte das Grüne Gewölbe ein entsprechend leistungsstarkes Digitalmikroskop9 erwerben (Abb. 3 und 5). Die neue Generation von Mikroskopkameras verfügt inzwischen über sehr schlanke Gehäuse mit Wechseloptiken. Die Objektive sind mit einem Linsendurchmesser von 20 mm klein genug, um selbst sehr schwer zugängliche Silbermarken gut erreichen zu können. Darüber hinaus ist das Kameramodul sehr flexibel einsetzbar. Es kann zum einen am motorisierten Drei-Achsen-Stativ betrieben werden wie auch separat an jedem beliebigen Fotostativ. Flexibilität ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, da sich viele der gepunzten Marken in der Praxis mit der auf dem Motorstativ fixierten Kamera nicht erreichen lassen und daher deren individuelle Ausrichtung zum jeweiligen Objekt notwendig ist. Für diese unumgänglichen Aufnahmen an versteckten Stellen der Silbergefäße wurde ein herkömmliches, stabiles Fotostativ mit einem manuell justierbaren Führungsschlitten ausgestattet, der eine exakte Fokussierung und Schärfeneinstellung der darauf befestigten Kamera gestattet. Nach einer Phase der intensiven Einarbeitung am Gerät selbst folgte die Entwicklung einer reproduzierbaren Methodik der bildlichen Umsetzung. Am Ende dieser Testphase ist es gelungen, anhand festgelegter 6 Reflectance Transformation Imaging ist eine computergestützte fotografische Methode, die die Oberflächenform und -farbe eines Motivs erfasst und die interaktive Neubeleuchtung des Motivs aus jeder Richtung ermöglicht. https://culturalheritageimaging.org/Technologies/RTI/ (aufgerufen am 13. 12. 2023). 7 Testaufnahmen im Landesamt für Archäologie Sachsen durch Thomas Reuter. Die REM-Aufnahmen (REM Hitachi TM3000) wurden von Sylvia Hoblyn angefertigt. 8 In der Bediensoftware implementierter HDRModus (High Dynamic Range). 9 Digitalmikroskop der Firma KEYENCE (Modell VHX-7000).
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