122 “We are smashing the myth of apolitical art to smithereens!”1 With a thunderous challenge like this, the Russian poet and futurist Vladimir Mayakovski went into battle against the moribund art scene of his time, which was tame, compliant and ineluctably set within moral boundaries. In the wake of the October Revolution in 1917, he and his artist compatriots had nothing less in mind than the creation of a new vernacular and form for a wholly regenerated society. Precisely a century later, this sentence was emblazoned on the façade of the Dresden University of Fine Arts (fig. 1). For some time now, art2 has been taking a decidedly political stance once more, and so vociferously so that the freedom of art has been declared dead and buried.3 The manifold crises and catastrophes of our time have undoubtedly contributed to this. When art becomes political, this means that the present is perceived by artists as both threatening and painful, but at the same time, as something inherently capable of transformation. The perception of an era coming to an end – late modernism – and the chance of a new beginning, pervades the ether. Just over a century ago, people were charged by a similar attitude to life: coinciding with the First World War and the end of monarchical rule in many countries, old Europe was coming to an end and a new dispensation under the rule of the many mani1 Banner über dem Portal der Hochschule für bildende Künste Dresden, 2018 Banner above the portal of the University of Fine Arts (HfBK) Dresden, 2018 den infrage gestellt und Frauenrechte gestärkt. Doch das Vertrauen in stetigen Fortschritt – einem Grundthema in Thomas Manns 1924 erschienenem Roman Der Zauberberg – schien erschüttert. »Das allgemeine Zeitbewusstsein wandelte sich im Großen erst mit der schweren Erschütterung, die die Materialschlachten des Ersten Weltkrieges über das Kulturbewusstsein und den Fortschrittsglauben des liberalen Zeitalters brachten«,4 so urteilte der Philosoph Hans-Georg Gadamer rückblickend. In den unwägbaren Zeiten des Übergangs bot sich die Kunst an, Visionen des Neuen zu entwerfen. So hatte sich etwa das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus anfänglich nichts Geringeres als den Bau einer neuen Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben. Das von Lyonel Feininger entworfene Signet, eine gotische Kathedrale in prismatischer Brechung, deutete an, dass der Ruf nach Erneuerung ganzheitlich gedacht wurde, die Revolution nicht nur eine politische, sondern auch eine geistige Dimension hatte (Abb. 2). »Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft [...] als kristallines Sinnbild eines neuen Glaubens«,5 umriss Walter Gropius seine Utopie im Bauhaus-Manifest. Das Jahr der Bauhaus-Gründung 1919 begann unter besonderen Vorzeichen. Infolge der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, den Vor- »Wir schlagen den Mythos apolitischer Kunst in Stücke!«1 Mit stürmischen Kampfansagen wie dieser rechnete der russische Dichter und Futurist Wladimir Majakowski mit der Kunst seiner Zeit ab, die sich innerhalb fester moralischer Grenzen zahm und gefällig gab. Im Zuge der Oktoberrevolution 1917 hatten er und seine Künstlerfreunde nichts weniger im Sinn, als Sprache und Form für eine neue Gesellschaft zu entwerfen. Genau 100 Jahre später war der Satz an der Fassade der Dresdner Kunstakademie zu lesen (Abb. 1). Seit einiger Zeit tritt die Kunst2 wieder politisch auf, und zwar so lautstark, dass die Freiheit der Kunst für beerdigt erklärt wurde.3 Die vielen Krisen und Katastrophen unserer Tage haben dazu beigetragen. Wird Kunst politisch, heißt das, dass die Gegenwart von Künstler*innen als bedrohlich und schmerzhaft, gleichzeitig aber auch als veränderbar wahrgenommen wird. Darüber schwebt das Gefühl einer zu Ende gehenden Epoche, der Spätmoderne, und die Chance eines Neubeginns. Vor etwas mehr als 100 Jahren bestimmte ein vergleichbares Lebensgefühl die Menschen: Mit dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie in vielen Ländern ging das alte Europa unter, ein neues unter der Herrschaft der Vielen erschien als ferne Utopie am Horizont. Die Stunde großer Veränderungen schien gekommen, Herrschaftsverhältnisse wur-
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1