Leseprobe

35 duktionen wesentliche Veränderungen in der Malweise und der Motivwahl der Künstlerin feststellen, die zu einem Bruch in ihrer Pariser Karriere führten. Im Jahr 1889 stellte Hitz ihre ersten Mutterschaftsdarstellungen in einer Gruppenausstellung außerhalb des Salons aus – das Motiv, das heute ihr Werk kennzeichnet. Es handelte sich um den Salon der Union der Malerinnen und Bildhauerinnen. Dieses 1881 ausschließlich für Frauen gegründete Ausstellungsformat sollte die Interessen tausender Künstlerinnen vertreten und ihnen ein alternatives Forum zum Salon des Artistes Français bieten, in dem Frauen sowohl unter den Teilnehmenden als auch unter der Medaillierten-Liste bereits unterrepräsentiert waren. Die Ausstellung zog auch die Aufmerksamkeit der Presse auf sich, die den Künstlerinnen bisher wenig bis gar keine Beachtung geschenkt hatte. Die erste kritische Reaktion auf die Arbeit Hitz’ war jedoch erwartungsgemäß eher herablassend. Der Kritiker der Zeitschrift für Zeitgenössische Kunst L’Artiste, Gaston de Raimes, der die Meinung vertrat, dass Frauen »Portraits und Blumen« der »großen Malerei« vorzögen, nannte ein Mutterschaftsbild Hitz’ in Gouache »ein lobenswerter Versuch einer Studie im Freien«.11 Das Bild, mit dem die Malerin 1889 an der Ausstellung teilnahm, ist leider nicht überliefert. Auch der Versuch einer Rekonstruktion stellt eine Herausforderung dar, zum einen wegen fehlender Beschreibung, zum anderen wegen der stilistischen Vielfalt der Darstellungen dieses Motivs bei Hitz. So zeigt das erste überlieferte Mutterschaftsbild von Hitz aus dem Jahr 1887, Mutter mit Kind auf dem Arm, ihm einen Rosenstrauß reichend, eine auf die emotionale Bindung reduzierte Darstellung (Abb. 3). Eine Blume verbindet die linke Hand der Mutter mit der rechten Hand des Kindes, sie blickt ihr Kind fasziniert an, während dessen Aufmerksamkeit uneingeschränkt auf die Blume gerichtet ist. Das Bild wurde in Pastell gemalt, was die Auflösung der Darstellung in der Bildfläche verstärkt. Während das erste Bild von Hitz bereits auf ihr späteres Werk hindeutet, das hier zu Beginn thematisiert wurde, änderte sich ihre Malweise in den folgenden Jahren grundlegend. 5 Dora Hitz, Mère et enfant, vor 1889, Standort unbekannt

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