57 Zigarre mit der Farbe des Anzugs. Insgesamt bildet der helle Sessel einen Kontrast zur schwarzen Kleidung. Er sitzt nicht richtig im Stuhl, wodurch der Eindruck entsteht, er hätte zuvor in seitlicher Position gesessen und sich rauchend der Lektüre gewidmet, während er sich nun hier und jetzt uns zuwendet. Augenblickhaftes Innehalten In ihren ganzfigurigen Portraits griff Dora Hitz ebenfalls eine betonte Körperdrehung auf, um einen momenthaften Charakter hervorzurufen. Dies ist in dem Bildnis der Malerin Maria von Brocken aus dem Jahr 1891 zu erkennen (Abb. 6).11 »Die dargestellte Dame ist eine Freundin und ehemalige Schülerin der Künstlerin, jetzt selbst eine Künstlerin, deren Name schon vielfach mit Auszeichnung genannt wurde«,12 so ist es aus der Illustrierten Frauen-Zeitung von 1897 zu entnehmen. Maria von Brocken scheint in diesem Portrait wie eine Spaziergängerin voranzuschreiten. Dies geht nicht nur aus ihrer Körperhaltung hervor, sondern auch im Faltenwurf des Rocks und insbesondere dadurch, dass nur eine Schuhspitze darunter hervorlugt. Als Schreitende bewegt sie sich auf einen flächig dargestellten Raum mit einem Podest zu, der sich hinter dem Vorhang auftut. Diesen hat die Malerin von Brocken bereits mit ihrer rechten Hand ergriffen, um ihn beiseite zuschieben. In ihrer anderen Hand hält sie einen Blumenstrauß, der sie auch als Blumenmalerin auszeichnet. Die kahle Wand ist hier ebenfalls malerisch strukturiert und im Kolorit des gesamten Gemäldes gehalten, wie im Artikel Aus unseren Kunstsalons der Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung von 1893 bemerkt wurde: »In einem zweiten ganzfigurigen Damenportrait stellt die Malerin einen derbkräftigen koloristischen Kontrast hin mit der zinnoberrothen Blouse und dem schwarzen Rock.«13 Leicht in Rückenansicht dreht Maria von Brocken sich um und blickt uns mit leicht geöffnetem Mund an. Innerhalb der transitorischen Bewegung des Gehens in Richtung des Raumes hinter dem Vorhang und des Öffnens desselben Vorhangs unterbricht sie diese, um sich uns zuzuwenden. Vermutlich kannte Dora Hitz das Gemälde Camille14 (1866) von Claude Monet, in welchem anstelle »statischer Frontalität, die die meisten offiziellen Portraits auszeichnet, [...] eine schreitende Bewegung und die Ansicht schräg von hinten«15 eingesetzt wurde (Abb. 7). »Diese Rückenansicht, der Profilkopf und die bewegte Pose waren aber auch für bürgerliche Portraits höchst ungewöhnlich, weil auf diese Weise die Darstellung der individuellen Gesichtszüge schwer möglich war.«16 Es handelt sich dabei um das zeitgenössische Bild einer Parisienne und nicht um ein Portrait, auch wenn man weiß, dass es sich bei dem Modell um Camille handelt.17 Dora Hitz griff einige Bildmodi von Monet auf, ließ aber das Gesicht stärker in unsere Richtung sich wenden, sodass die ganzfigurige Dame auch als Maria von Brocken zu erkennen ist. Zugleich wurde sie von Dora Hitz als eine zeitgenössische, gar moderne Malerin dargestellt. In dieser Hinsicht knüpft sie ebenfalls an Monets Camille und an
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