Leseprobe

86 ten Vergleich mit der französischen Entwicklung vorzunehmen? Die mit Edouard Manets Bruder verheiratete Morisot war zu diesem Zeitpunkt bereits fast 20 Jahre tot. Wie sie hatte auch Dora Hitz bevorzugt Frauen und Kinder in privaten Situationen gemalt; zugleich aber war Hitz auch als Portraitmalerin finanziell und künstlerisch lange Zeit sehr erfolgreich. Als älteste der Berliner Secessionistinnen hatte sie Manet, Renoir und Cézanne in Paris persönlich getroffen.6 Während aber auf Berthe Morisots Totenschein noch »ohne Beruf« vermerkt worden war,7 gehörte Hitz neben ihren Secessionskolleginnen bereits zu den anerkannt professionellen Künstlerinnen, die gleichwohl – trotz aller Erfolge – am Ende ihres Lebens in Vergessenheit gerieten. Im Folgenden soll nun nach den Gründen für diese Entwicklung gefragt werden. Im Zentrum stehen dabei Überlegungen zur Rolle der Stilkategorie des Impressionismus beziehungsweise der Folgen einer Zuordnung oder auch Nichtzuordnung von Künstlerinnen wie Dora Hitz zur Gruppe der ›deutschen Impressionisten‹. Gemeinhin wird unter letzterem die Trias Liebermann, Slevogt und Corinth verstanden, die bis heute als Hauptmeister eines deutschen Impressionismus gelten. Die Debatte um den Stil des ›deutschen Impressionismus‹ Noch 2009 resümierte Uta Baier in einer Ausstellungsrezension: »Frankreich hat den Impressionismus erfunden, Deutschland den Expressionismus. Das ist der Inhalt 1 Berthe Morisot, Selbstbildnis, 1885, Musée Marmottan Monet nahmen, obwohl sie in den Publikationen insgesamt nur selten berücksichtigt wurden. Auch Maria Slavona wurde zurecht mit Berthe Morisot verglichen. Daher rührt die Frage, was als das »Bedenkliche« an einem solchen Vergleich damals gemeint sein konnte. War es die Tradition der herkömmlichen »Meister«-Diskurse, die nur männlichen Kunstschaffenden kreative Innovationen zutraute? Gab es vielleicht eine Scheu davor, einen direk-

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