105 8 Mutter und Kind am Meer o. D. · Öl auf Holz 35×25 cm · Jens-Peter Ketels Dem Meer abgewandt und versunken in die Betrachtung ihres Kindes, bewegt sich die Frauenfigur auf diesem Gemälde voran. Die schwarzen, konturlosen Kleider von Kind und Mutter verschmelzen geradezu, während die Reflexionen der untergehenden Sonne an Kopf und Schultern der Mutter die Szene in ein symbolträchtiges Licht tauchen. Es öffnet den Blick für ihre übersinnliche Bedeutung. Das für Hitz eher seltene Motiv des Meeres könnte in Verbindung mit ihrem Illustrationsauftrag zu Les pêcheurs d’Islande (1886) stehen, einem Roman Pierre Lotis. Dieser führte sie zwischen 1887 und 1889 mehrfach in die Bretagne. Angesicht dessen wäre ein Entstehen in diesen Jahren naheliegend. Auch das Gewand der melancholischen Mutter erinnert an bretonische Begräbnistrachten. Die Melancholie und die Ungewissheit der bretonischen Frauen angesichts des Schicksals ihrer Männer und Söhne auf hoher See stellen im Roman zentrale Motive dar. Da der junge Yann bei Loti nicht von einer Seefahrt heimkehrt, könnte das Gemälde auch als Reminiszenz einer alten Mutter an ihren toten Sohn verstanden werden. Mit lokaler Tracht und Haube enthob Hitz die Figur der klassischen griechisch-antiken Melancholiedarstellung in Togen und bettete sie in die Mutterschaft einer Fischersfrau ein. Vanessa Hennecken
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