Leseprobe

11 Der Todestag von Dora Hitz jährt sich am 20. November 2024 zum 100. Mal. Dieses Ereignis gab der Ausstellung Dora Hitz. Mit dem Alten um das Neue kämpfen ihren Anlass. Doch Gründe dafür, Hitz’ Werk zu zeigen, gibt es viele mehr – besonders in Berlin, jener Stadt, in der die Künstlerin drei Jahrzehnte lang wirkte. Dora Hitz prägte als Vertreterin eines modernen Stils das Kunstgeschehen in Berlin zur Zeit der Jahrhundertwende maßgeblich mit. Trotzdem gerieten ihr Werk und ihre Biografie in Vergessenheit. In den vergangenen Jahren trat die Künstlerin wieder vermehrt ins öffentliche Bewusstsein – eine erste Monografie erschien, einzelne Werke wurden im Rahmen von Gruppenausstellungen gezeigt und rücken nun nach und nach aus den Depots in die ständigen Sammlungen der Museen. Doch eine Einzelausstellung der Künstlerin hat es seit 99 Jahren nicht gegeben. Diese Schau gibt einen ersten Überblick über ihr vielseitiges Schaffen. Zur Einführung werden die Künstlerin selbst, die zentralen Themen und Werke benannt und vorgestellt. Dora Hitz wurde im Jahr 1853 in Altdorf bei Nürnberg geboren und starb 1924 in Berlin.1 Sie verlebte wechselvolle Jahre, die von Erfolg, Anerkennung und sozialer Verbundenheit geprägt waren, jedoch auch – insbesondere infolge des Ersten Weltkriegs und der Inflation – von langen Phasen der Krankheit, Einsamkeit und dem zunehmenden Verlust des künstlerischen Ansehens gezeichnet wurden. Da Frauen die Zulassung zu den staatlichen Institutionen akademischer Kunstausbildung verwehrt blieb (in Berlin bis 1919), hatte sich Hitz in einer privaten Schule in München zur Malerin ausbilden lassen. Dort wurde sie von der deutschen Fürstin und späteren Königin von Rumänien, Elisabeth zu Wied, entdeckt, die sie 1876 als Hofmalerin an den rumänischen Königshof holte. Zu Beginn der 1880er-Jahre zog Hitz nach Paris, um eine zweite künstlerische Ausbildung zu absolvieren und in der französischen Kunstszene Fuß zu fassen, was ihr auch gelang. Sie knüpfte Freundschaften mit deutschsprachigen Kunst- und Kulturschaffenden, die lebenslang erhalten blieben, etwa mit Carl Bantzer, Paul Baum und Karl Köpping. Sie lernte französische Kunstschaffende persönlich kennen, die ihr Werk prägen sollten, allen voran Eugène Carrière. Möglicherweise traf Hitz in Paris auch die amerikanische Künstlerin Mary Cassatt. Nachdem Hitz bereits einige Werke mit rumänischen und bretonischen Motiven im traditionsreichen Pariser Salon gezeigt hatte, wurde sie von Pierre Puvis de Chavannes in den Kreis der 1890 neu gegründeten Société Nationale des Beaux-Arts und deren Ausstellungen auf dem Champ de Mars eingeladen, wo sie mit Mutterschaftsbildern und Portraits reüssierte. Diese Gemälde sind heute größtenteils verschollen. Im Zuge unserer Ausstellungsvorbereitungen wurden einzelne Werke wiederentdeckt, darunter Repos (Abb. 1). Hitz hatte das Bild von Mutter und Kind, das bislang nur als Schwarzweißabbildung kursierte, 1891 in Paris geschaffen und im darauffolgenden Jahr auf dem Salon du Champ de Mars ausgestellt, in dessen Katalog es abgebildet wurde. Während ihrer Pariser Zeit fertigte Hitz auch einige Detail aus Kat. 1

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