› 25 ‹ Abb. 2 Abraham Bosse La Joye de la France (Allegorie auf die Geburt Ludwigs XIV.) 1638 · Radierung und Kupferstich The Metropolitan Museum, New York, The Elisha Whittelsey Collection, The Elisha Whittelsey Fund, 1951, New York 19 Vgl. Arnold 1980, S. 18–20; Fabian 2016, S. 200. 20 Siehe Bellin 2022, S. 32. Angesichts der fundamentalen Bedeutung, die Ariès diesem Wechsel der Kleidung vom geschlechtsneutralen Kinderkleid gegen Hosen und Röcke als der geschlechtsspezifischen Kleidung der Erwachsenen beimaß, drängt sich der Eindruck auf, dass er sich in seiner These, Kinder seien lange Zeit wie »kleine Erwachsene« dargestellt worden, weil sie nur noch als solche wahrgenommen und behandelt wurden, sogar von bildlichen Darstellungen hatte leiten lassen. Dabei ist gar gerade im dynastischen Bereich nicht besonders klar, was genau die Unkindlichkeit solcher »kleiner Erwachsener« ausmacht bzw. wie viel historische Lebenswirklichkeit in Bildern überhaupt enthalten ist. Am offensichtlichsten, nämlich anhand eines Säuglings mit Krone, wird dies in der Zuspitzung der La Joye de la France betitelten Allegorie auf die Geburt des künftigen Ludwig XIV. (Abb. 2) von Abraham Bosse,20 dessen Kupferstiche Ariès wiederholt heranzog: Dies ist schon deshalb kein Porträt, weil das königliche Privileg, das die bei der Erteilung als vollendet anzunehmende Druckplatte vor Raubdrucken schützte, auf den 9. September 1638 datiert ist, den Tag der Geburt des Thronfolgers. Das Neugeborene, dessen ganzer Körper eng gewickelt ist in einen Stoff mit dem Lilienmuster der Bourbonen und das darüber die Miniaturausgabe eines hermelinbesetzten Krönungsornats trägt, dazu die in Wirklichkeit natürlich zu große Dauphinskrone über einem Spitzenhäubchen, wird von seiner Mutter Anna von Österreich stehend dem Hofstaat und damit den Betrachtern des Kupferstichs präsentiert. Ist dies ein gekrönter Säugling oder ein gewickelter Erwachsener miniaturhaften Formats? Nichts an dieser Darstellung ist wörtlich zu nehmen, und natürlich ist genau dies das Wesen einer Allegorie, doch kann man bei dynastischen Bildnissen nicht zwingend vom Gegenteil ausgehen. waren und an die sich noch einmal sieben Jahre der adolescentia anschlossen, wie wir sie als die Teenagerjahre bis heute kennen.19 Nur die erste Lebensphase indessen endete mit einer an Kinderbildnissen sofort ablesbaren äußerlichen Veränderung, dem Ablegen des einer Soutane ähnelnden, bis ins 18. Jahrhundert hinein von Mädchen und Jungen die ersten fünf bis sieben Jahre lang in beinahe identischer Form getragenen Kinderkleides.
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