› 58 ‹ Wilhelm II. von Oranien-Nassau (1626–1650) ist fünf oder sechs Jahre alt in diesem ersten Bildnis, das Anthonis van Dyck vermutlich im Winter 1631/32 in Den Haag von ihm malte. In einem zweiten, das 1641 in London entstand, posierte Wilhelm als 15-jähriger Bräutigam zusammen mit seiner noch jüngeren Kindsbraut, der nur neun Jahre alten Prinzessin Maria von England.1 Der kleine Prinz, erstgeborener Sohn des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau und Amalias zu Solms-Braunfels, trägt ein fußlanges, orangenes Samtkleid mit geschlitzten Ärmeln, breitem Spitzenkragen und Schleppe, dazu ein schwarzes Samtbarett mit Federn. Die Kinderkleider legte Wilhelm erst 1633 ab, als er sieben Jahre alt war.2 Wie das schlanke Windspiel an seiner Seite blickt Wilhelm aufmerksam, doch unaufgeregt aus der gegenläufigen Bewegung nach rechts, in die auch seine Rechte vorausweist, auf etwas, das links außerhalb des Bildraumes liegt. Gravitas und Kindlichkeit, natürliche Neugier und angelernte Affektkontrolle gehen jene Verbindung ein, für die Van Dyck gerade als Porträtist von Kindern so geschätzt und berühmt war. Der Prinz wird von einem kannelierten Säulenschaft hinterfangen, der als Hinweis auf die Herrschertugend der fortitudo (Stärke) zu lesen ist, und einer Tapisserie, auf der das Wappen und der Löwe des Hauses Oranien-Nassau prangen. Wie das Orangenbäumchen am linken Bildrand und selbst die orangene Farbe des Kinderkleids dienen diese Elemente dazu, den einzigen Sohn Friedrich Heinrichs als dessen Nachfolger im Amt des Statthalters der Vereinigten Niederlande zu präsentieren. Nichts im Bild weist auf die Republik oder deren parlamentarische Vertretung, die Generalstände, die seit der Geburt Wilhelms als dessen Patenkollektiv firmierten.3 Anders als die Würde eines Prinzen von Oranien und Grafen von Nassau war die Statthalterschaft der gesamten Niederlande kein erbliches Amt, auch wenn seit Beginn der Republik alle Stadhouder aus dem Haus Oranien-Nassau stammten.4 Ursprünglich ausgeübt in Vertretung des habsburgischen Monarchen in den Niederlanden, blieb das Amt des Statthalters in der Republik als politische und militärische Führungsposition erhalten, deren quasi-monarchische Züge immer wieder zu Konflikten mit den Generalständen führten. Wilhelms ehrgeizigem Vater, der das Amt seit 1625 hielt, war in der Acte van Survivance vom April 1631 durch fünf der sieben nordniederländischen Provinzen sogar dessen künftige Weitergabe an seinen Sohn verbrieft worden, doch eben nicht durch alle. Die kurze Statthalterschaft Wilhelms II. ab 1647 war geprägt durch die Gegnerschaft besonders der mächtigen Provinz Holland, deren Widerstand er am Ende durch einen Marsch auf Amsterdam militärisch zu brechen versuchte. 1 Wilhelm II., Prinz von OranienNassau, und seine Braut Maria, Prinzessin von England, 1641, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv.- Nr. SK-A-102; siehe Ausst.-Kat. Antwerpen/London 1999, S. 338, Kat.-Nr. 105, Abb. (Judy Egerton). 2 Siehe Huygens 1884, S. 24 (4.7.1633). Das Jahr wird bisweilen falsch als 1631 angegeben, so in Baudouin 2003, S. 157. 3 Siehe Lademacher 1999, S. 51. 4 Zur Statthalterschaft siehe ebd., bes. S. 43f. Anthonis van Dyck Prinz Wilhelm II. von Oranien-Nassau Um 1631/32 Leinwand · 119 × 105 cm Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Schloss Mosigkau Inv.-Nr. Mos-13 Provenienz: Gemalt im Auftrag Friedrich Heinrichs von OranienNassau; bis 1675 im Besitz seiner Witwe Amalia von Solms, Den Haag; 1675 Albertine Agnes von Nassau-Dietz, Oranjewoud; 1696 Henriette Catharina von Anhalt-Dessau; 1708 Herzog Heinrich von Sachsen-Weißenfels-Barby (?); 1728 (?) Marie Eleonore von Radziwiłł, Dessau; 1756 erworben durch Anna Wilhelmine Prinzessin von Anhalt-Dessau, Schloss Mosigkau; 1780 Hochadeliges Fräuleinstift zu Mosigkau; 1951 Staatliches Museum Schloss Mosigkau; 1997 Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Schloss Mosigkau Literatur: Ausst.-Kat. Krefeld/Oranienburg/Apeldoorn 1999, S. 117f., Kat.-Nr. 5.10 (Wolfgang Savelsberg); Barnes et al. 2004, S. 339–341, Kat.-Nr. III.114 5
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