Leseprobe

› 60 ‹ Das Kinderbildnis Wilhelms II. entstand mindestens ein halbes Jahr nach Verabschiedung der Acte van Survivance und brachte die dynastischen Aspirationen seiner Eltern zum Vortrag, die sich ebenfalls von Van Dyck porträtieren ließen.5 Dennoch (oder vielmehr deswegen) blieb die Position des Statthalters nach dem frühem Tod Wilhelms II. an den Blattern 1650 für mehr als zwei Jahrzehnte unbesetzt. Mehr noch, die Provinz Holland schloss in einer geheimen Klausel der Acte van Seclusie vom April 1654 ausdrücklich alle Mitglieder des Hauses Oranien-Nassau vom Statthalteramt aus.6 Indem die Witwe Friedrich Heinrichs, Amalia zu Solms-Braunfels, ihren nun vierjährigen Enkel, den kurz nach dessen Tod zur Welt gekommenen Sohn Wilhelms II., im gleichen Jahr durch Adriaen Hannemann nach dem Muster porträtieren ließ, das Van Dyck vorgegeben hatte, hielt sie den Anspruch der Oranier auf die Statthalterwürde dennoch aufrecht: Im Bildnis Hannemanns (Abb. 1) greift der vor einem Orangenbäumchen stehende Prinz eine Frucht, während die stachelige Distel zu seinen Füßen als Verweis auf die exilierte englische Königsfamilie der Stuarts zu lesen ist, der er mütterlicherseits angehörte.7 Etwas jünger als sein Vater im Bildnis Van Dycks, trägt Wilhelm III. unter dem schwarzen Barett mit Federschmuck noch eine Haube, und über dem Kinderkleid eine Schürze. Erst die Katastrophe des französischen Angriffs 1672 brachte dem Sohn Wilhelms II. die Ernennung zum Statthalter, bevor er nach der »Glorious Revolution« von 1688 als König William III. nach England wechselte. Eine der Werkstatt Van Dycks zugeschriebene Wiederholung des Bildnisses Wilhelms II. befindet sich im Kunstmuseum Rigaer Börse.8 Im Verlag der Dessauer Chalcographischen Gesellschaft erschien 1797 ein Nachstich des Kupferstechers Franz Xaver Michelis ( 14), der andeutet, welche Wertschätzung Van Dyck und seinen Kinderporträts gerade im Übergang von Aufklärung, Revolution und Romantik entgegengebracht wurde. • GW 5 Für die beiden als Pendants angelegten Kniestücke siehe Walsh 1994, S. 224f., Abb. 2, 3. 6 Lademacher 1999, S. 58. 7 Vgl. Ausst.-Kat. Haarlem/Amsterdam 2000, S. 233f., Kat.- Nr. 62. Hannemann hatte sich bereits vor Van Dyck in London niedergelassen und brachte 1640 eine ganz an dessen Erfolgen orientierte Bildnismalerei nach Den Haag zurück (vgl. Sluijter 2003, S. 18). 8 Riga, Arzemju mákslas muzejs, Inv.-Nr. GL-162; Ausst.-Kat. Krefeld/Oranienburg/Apeldoorn 1999, S. 119, Kat.-Nr. 5.11 (Wies Erkelenz). Abb. 1 Adriaen Hannemann Prinz Wilhelm III. von Oranien-Nassau 1654 · Leinwand Rijksmuseum, Amsterdam

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