› 70 ‹ Balthasar Denner, Jacob van Schuppen, Franz de Paula Ferg und Franz Werner Tamm Barthold Heinrich, Anna Ilsabe und Johann Bernhard Brockes Um 1720–1725 Leinwand · 110 × 92 cm Rückseitig alte Beschriftung B. H. Brockes hat die Originalia / Denner die Portraits / van Schuppen die Figuren / von Tham die Bluhmen / Ferg die Landschaft / gemacht. Hamburger Kunsthalle Inv.-Nr. HK-36 Provenienz: Erbgang in der Familie; Geschenk der Erben Hermann Maneckes, 1858 Literatur: Gerkens 1971, S. 105 –108; Kat. Hamburg 2007, S. 110f. (Gerrit Walczak) In einem Garten oder Park sind die drei ältesten Kinder des Hamburger Juristen, Ratsherrn und Naturlyrikers Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) arrangiert. Auf einer steinernen Balustrade sitzt in der Mitte die drei oder vier Jahre alte, nach ihrer Mutter benannte Anna Ilsabe (geboren 1717) in einem blauen Kleid mit Schürze. Links von ihr steht der mit fünf oder sechs Jahren Älteste, der 1715 zur Welt gekommene Barthold Heinrich, der die Rechte um ihre Schulter gelegt hat; rechts Johann Bernhard, 1716 geboren, mit einem Korb, dem seine Schwester einen Pfirsich und die von ihr emporgehaltene Rose entnommen hat. Die beiden Jungen in ihren kragenlosen, goldbetressten Justeaucorps geben sich der Schwester gegenüber als vorbildliche kleine Kavaliere. 1 Grundlegend für die folgenden Ausführungen ist Gerkens 1969, S. 107 f. 2 Dazu malte Denner ein nur im Kupferstich überliefertes Halbporträt Brockes’ und zwei Bildnisminiaturen, auch besaß dieser einen der hyperrealistischen Studienköpfe Denners und ein Blumenstillleben. Siehe das Faksimile des Katalogs in Klemper/Ketelsen/Zelle 1998, Bd. 2, S. 309–315, hier S. 310f., Nr. 25, 62. 3 Siehe Kat. Hamburg 2007, S. 111f. (Gerrit Walczak); Gerkens 1971, bes. S. 108. 4 Siehe Kat. Hamburg 2007, S. 109f. (Gerrit Walczak); Gerkens 1969, bes. S. 108. Ungewöhnlich ist zunächst die Entstehung des Gemäldes, denn außer dem laut rückseitiger Beschriftung für die »Originalia« zuständigen Brockes waren nicht weniger als vier Maler beteiligt.1 In Hamburg malte Balthasar Denner vor Mai 1721, als er über Amsterdam für einige Jahre nach London wechselte, die Köpfe der Kinder als die eigentlichen »Portraits«. Brockes selbst reiste im gleichen Monat im Auftrag des Hamburger Rates an den Wiener Hof und muss die Leinwand mitgenommen haben, da Jacob van Schuppen nur dort die »Figuren« gemalt haben kann, worunter man vor allem die Gewandpartien und Hände verstehen darf. Franz Werner Tamm dürfte ebenfalls in Wien die Früchte und »Bluhmen« ergänzt haben. Der Landschaftsmaler Franz de Paula Ferg schließlich ist 1720 in Braunschweig tätig gewesen und wechselte wohl noch im gleichen Jahr nach London – er dürfte über Hamburg gereist sein und steuerte bei dieser Gelegenheit möglicherweise die Landschaft bei, doch ist durchaus auch denkbar, dass Brockes die Leinwand nach London spedierte. Brockes, den Denner 1710 das erste Mal porträtiert hatte, gab nach der Rückkehr des Malers aus London zwei Gruppenbildnisse weiterer sechs seiner Kinder bei diesem allein in Auftrag, die 1728/29 als Pendants entstanden.2 Als erstes malte Denner das schon recht erwachsen wirkende Porträt (Abb. 1) des zehnjährigen Erich Nicolaus, der Maria Anna, neun Jahre alt, und der siebenjährigen Catharina Margareta.3 Das Gegenstück (Abb. 2) arrangierte Joachim Wilhelm, sechs Jahre alt, den vierjährigen Julius Herman und, im Kinderkleid mit gepolsterter Fallhaube, den zwei Jahre alten Garlieb Joachim.4 Die ursprünglich etwas kleinere Leinwand des ersten Bildnisses von Kindern Brockes’ wurde nachträglich und mutmaßlich durch Denner selbst auf das Maß der beiden späteren erweitert. 8 Dass Brockes drei Gruppenbildnisse von immerhin neun seiner zwölf Kinder – nur sieben von ihnen erreichten das Alter von Erwachsenen – von Denner bzw. unter dessen maßgeblicher Beteiligung malen ließ, ist ungewöhnlich, denn man würde als Dreiviertelporträts angelegte Gruppenbildnisse von Kindern eher in der höfischen Sphäre verorten. Doch arbeitete Denner nicht nur für die norddeutschen Höfe, sondern auch für bürgerliche Oberschichten, deren Repräsentations- und
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