Leseprobe

› 102 ‹ Gesellschaft. […] Der Vater beschäftigte sich dabei mit Entwürfen zu Gemälden oder kleinen Zeichnungen in Crayon, und wir strickten, nähten oder spielten mit einer Art Puppen […]. Die Mutter las geschichtliche Werke, Reisebeschreibungen, oft aber auch einen guten alten oder neuen Roman vor. […] Wenn er so mit uns und der Mutter im traulichen Stübchen saß, konnte er wohl plötzlich im erhebenden Gefühl seines Glückes aufspringen und uns der Reihe nach umarmen.«6 6 Zitiert nach Stoll 1923, S. 115f. 7 Zitiert nach ebd., S. 115. Abb. 1 Johann Friedrich August Tischbein Porträt des Künstlers und seiner Familie 1796 · Leinwand · LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz– Vienna Unklar ist, unter welchen Umständen das Gemälde in den herzoglichen Besitz gelangte. Ebenso, ab wann man in ihm anhaltische Prinzessinnen zu erkennen meinte. Die rückseitige Beschriftung lässt erschließen, dass das Bild 1875 durch Rudolf von Normann (1806–1882) restauriert wurde, einen Landschaftsmaler der Düsseldorfer Schule, der 1866 als Theaterintendant und Kammerherr an den Dessauer Hof gekommen war. Die Höhe der herzoglichen Inventarnummer deutet darauf hin, dass das Bild bei Erfassung des herzoglichen Gemäldeinventars um 1850 sich nicht im Residenzschloss oder in den Schlössern Georgium, Luisium oder Wörlitz befand. Es könnte aber in der zweiten Jahrhunderthälfte neu erworben worden sein oder aus einem der Dessauer Prinzenpalais in das Residenzschloss gelangt sein. Womöglich aus dem Erbprinzlichen Palais, welches Erbprinzessin Christiane Amalie (1774–1846) lange bewohnte, die mehrfach von Tischbein festgehalten wurde. »In der letzten Zeit waren wir«, erinnert sich Caroline Tischbein in Bezug auf die Dessauer Jahre, »das heißt die Mutter und wir Töchter, oft bei der Erbprinzeß von Dessau zum Tee. Diese vortreffliche Fürstin liebte die Musik und fand besondere Freude an unserem Gesang, der sich immer mehr vervollkommnete […]. Wir erlangten eine Art Berühmtheit, welche dem Vater vielleicht noch mehr Freude machte als uns.«7

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