› 134 ‹ Seine Gattin habe ihn »mit dem herrlichen Bilde meiner drei Kinder von Wilhelm Schadow« überrascht, als er nach mehreren Monaten in Italien Anfang 1823 nach Berlin zurückkehrte, hielt Kurd von Schöning in seinen autobiografischen Aufzeichnungen fest.1 Während der Offizier den jungen Prinzen Carl von Preußen als dessen Adjutant nach Rom begleitet hatte, war das Porträt der drei Kinder auf Initiative seiner Frau Charlotte Ulrike von Schöning entstanden. Ohne Namensnennung von Eltern und Kindern berichtete die Schriftstellerin Amalie von Helvig in einer Anmerkung zu ihrem Bericht über die Berliner Akademieausstellung vom Herbst 1822, Schadow habe eine »Kindergruppe in Lebensgröße« vollendet, die »höchst gelungen und von wahrhaft reizender Wirkung« sei.2 Das Ehepaar von Schöning überließ Schadow das Werk nicht nur für die Dauer der nächsten Akademieausstellung vom Herbst 1824, sondern der Maler konnte es im Anschluss auch Friedrich Wilhelm III. vorführen, wie der Vater der drei Kinder sich stolz erinnerte: »Mein schönes Kinderbild ward von dem Könige und den höchsten Herrschaften in Augenschein genommen und Schadow durfte selbst es S[einer]. Majestät präsentiren; es blieb bei dieser Gelegenheit mit einigen Andern Bildern auf dem Schlosse ausgestellt.«3 Die stehende, vierjährige Rosalie und ihre im Gras vor ihr sitzenden Brüder Kurt, drei Jahre alt, und Karl, ein Jahr, sind pyramidal unter dem vorgeblendeten Bogen des Rahmens arrangiert. Grundelemente dieses Arrangements verdanken sich den Madonnen-Darstellungen Raffaels mit dem Christuskind und dem kleinen Johannes: Zu nennen sind vor allem die Anordnung der von einer Standfigur in der Mittelachse überragten Jüngeren im Gras vor ihr, die sich vom Horizont bis an den Nahbereich ziehende Landschaft mit den am unteren Bildrand penibel gemalten einzelnen Pflanzen und das einfache Farbschema aus Rot, Blau und Weiß. Die leichte Torsion des stehenden Mädchens, das seinen blumenbekränzten Kopf nach links und den Körper wie ihre ausgestreckten Arme nach rechts dem im Gras sitzenden Bruder Kurd zuwendet, deutet am ehesten auf ein konkreteres einzelnes Muster, denn sie wirkt wie eine freie Variation der allerdings sitzenden Marienfigur in Raffels Wiener Madonna im Grünen von 1505/06 (Abb. 1). Der Vogel in der Hand ist Gegenstand der Aufmerksamkeit zweier Kinder auch in der sogenannten Madonna mit dem Zeisig, einer um 1505 gemalten, im Aufbau ähnlichen Komposition Raffaels.4 Doch ging es nicht nur um formale, bis zum rundbogigen Abschluss des Rahmens reichende Anleihen bei einem kanonischen Künstler der italienischen Renaissance, denn die Kirschen in der Hand Rosalies ebenso wie die danach sich reckende Taube, die ihr Bruder Kurd hält, sind der Ikonografie des Jesuskindes entnommen. Die Weinranken neben Rosalie sind eine Referenz an die Eucharistie, und die Erdbeeren im Bildvordergrund rechts wachsen auch im Hortus conclusus der Jungfrau Maria. 1 Zitiert nach Grewe 2017, S. 216, unter Kat.-Nr. 112. 2 Von Helvig 1823, S. 199, Anm. Der Beitrag erschien zwar erst im Juni 1823, wird jedoch nicht lange nach Schließung der Akademieausstellung im November 1822 verfasst worden sein. 3 Zitiert nach Grewe 2017, S. 218, unter Kat.-Nr. 112. Zur Ausstellung in der Berliner Akademie siehe Ausst.-Kat. Berlin 1824, S. 10, Kat.-Nr. 70 (»Eine Gruppe von drei Kindern, Porträts«). 4 Uffizien, Florenz, Inv.-Nr. 1447; siehe Oberhuber 1999, S. 57, Abb. 50. Friedrich Wilhelm von Schadow Rose, Kurd und Karl von Schöning 1822 Leinwand · 139 × 100 cm Anhaltische Gemäldegalerie Dessau (Dauerleihgabe des Landes Sachsen-Anhalt) Inv.-Nr. M 18/2006 Provenienz: Erworben 2006 mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder und des Landes Sachsen-Anhalt Literatur: Grewe 2017, S. 216–219, Kat.-Nr. 112 26
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