Leseprobe

› 136 ‹ Das Bildnis der drei Kinder, von denen einzig die Tochter das Erwachsenenalter erreichen sollte, ist ein exquisites Beispiel für die archaisierende, religiös grundierte Malerei der Nazarener, die Schadow nach fast einem Jahrzehnt in abgemilderter Ausformung aus Rom zurückgebracht hatte. Typisch sind die klare, reduzierte Farbigkeit, die harte Betonung der Linien und eine geschlossene, keinen Pinselzug verratende Maloberfläche. Schadow milderte zwar die Härte in den folgenden Jahren durch zunehmende Gefälligkeit. Allerdings haben moderne Betrachter den Kunstcharakter dieser ästhetisch retrograden, quasi-religiösen Idealisierung der drei Kinder gerne ganz ausgeblendet, um mit viel Einfühlung von der ihnen missfälligen Form auf einen beklagenswerten Inhalt zu schließen: Gesprochen wurde nicht allein von einer »blutarmen Kühle« und davon, die Kinder seien »puppenhaft erstarrt« in ihrem Tun, sondern der sich angeblich daraus ergebende Befund lautete auf ihre »seelische Isolation«, würden doch diese Unglücklichen angeblich »aus sich selbst heraus nicht mehr zueinander finden«.5 »Das Paradies ist Kulisse«, urteilte gleichlautend ein besorgter Pädagoge, »die Unbeschwertheit konstruiert, die Anmut wirkt kalt«6 5 Wandschneider 2013, S. 42. 6 Gruschka 2008, S. 168. 7 Königlich preußische Staats-, Kriegs- und Friedens-Zeitung vom 25. Mai 1833, S. 1036f., zitiert nach Grewe 2017, S. 219, unter Kat.-Nr. 112. 8 Von Raczynski 1836, S. 144. Zum Bildnis Sophie und Rudolf Schadows (Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Inv.-Nr. M 1977-1) siehe Grewe 2017, S. 247–250, Kat.-Nr. 135, Abb. Abb. 1 Raffael Madonna im Grünen um 1505/06 · Pappelholz Kunsthistorisches Museum Wien Mit welchem Gefallen jedoch nicht nur der Vater der Kinder, sondern auch professionelle Betrachtender der Zeit auf Schadows Gemälde blickten, ist dank dessen erneuter Ausstellung 1833 im Königsberger Kunstverein belegt. Ein sich ausführlich äußernder Kritiker tadelte die ihm zu kräftig scheinende Farbigkeit, pries jedoch umso ausführlicher die Interaktion und die seiner Einschätzung nach dem jeweiligen Alter und Geschlecht der drei Kinder entsprechende Charakterisierung: »Der ältere, etwas trotzige Knabe, im Besitz eines Lieblingsvogels, der jüngste darnach verlangend, und das Mädchen für die Pflege sorgend. So ist alles schön in die Einheit einer Idee verbunden und doch mannigfaltig abgestuft. Der ältere Knabe zeigt heranwachsende Männlichkeit, der jüngste die Unbestimmtheit des zartesten Alters und das Mädchen eine gewisse unbewußte oder durch Erziehung schon veranlasste Grazie. Die Hand, welche seine gewendete, sich erhebende Stellung unterstützt, ruht sicher. Das Mädchen ist schön; der Rosenkranz steht ihr allerliebst. Alle drei Kinder, obgleich verschiedenartig an Gesichtsbildung, tragen das Gepräge eines Familienzugs.«7 Athanasius von Raczynski, der Schadow freilich seine ganze Geschichte der neueren deutschen Kunst widmete, zählte darin »namentlich die Kinder des Hofmarschalls Herrn von Schöning« zu den erwähnenswerten Bildnissen des Malers, auch wenn er das gefälligere, weniger nazarenisch ausgefallene Doppelporträt der eigenen Kinder des Malers von 1830 vorzog.8 • GW

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1