Leseprobe

I 18 Begegnungen am Grenzort um 1900 zu Österreich-Ungarn bilden, ist ein kaum sichtbares Fragment Österreichs zu sehen, während der Blick auf die Grenze zum russländischen Teilungsgebiet des Königreichs Polen8 durch den Fluss Przemsa mit einem Panorama des Dorfes Niwka angedeutet wird. Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass der:die Betrachter:in diese Landschaft eindeutig von der großen Promenade auf deutscher Seite aus sieht. So wird eben jene Landschaft auch zu einem wichtigen Mittel der visuellen Kommunikation der preußischen Herrschaft über die Region. Dennoch waren diese Postkarten die von Besu- cher:innen der Region am häufigsten gewählten Ansichtskarten – auch von nicht-deutschsprachigen. Sie dienten u. a. dazu, Informationen über den Verlauf der Reise und das eigene Befinden zu vermitteln. Eine von ihnen, die auf der Vorder- und Rückseite mit Bleistift beschriftet und dann nach Berlin geschickt wurde, informiert in einer Mischung aus Deutsch und Polnisch, dass die schreibende Person die Grenze überquert hatte und für einen gewissen Herrn Pakuła ohne Verpflegung arbeitete, was in Königshütte/Nowa Huta jedoch nicht auf Begeisterung gestoßen sei (Abb. 3). Ein drittes Motiv, welches das Dreikaisereck eindeutig als einen durch die deutsche Kultur dominierten Raum kennzeichnet, ist der Bismarckturm. Das 1907 am rechten Ufer der Przemsa errichtete Bauwerk zierte z. B. die Postkarten des in Myslowitz ansässigen Verlegers Max Rölle, der in Breslau tätigen Verleger H. Lukowski und R. Błaszczyk sowie des Kattowitzer Verlegers Max Steckel. Dieser Turm war nicht nur ein Symbol für die Macht des preußischen Staates, sondern wurde zum Wahrzeichen des Dreikaiserecks, das neben seiner politischen auch eine wirtschaftliche und touristische Bedeutung hatte. Er besaß zudem einen imposanten repräsentativen Charakter – wie bei anderen Bauwerken dieser Art, die nach dem ersten Reichskanzler benannt sind,9 wurde anlässlich von Bismarcks Geburtstag, dem 1. April, auf der Spitze des Turms ein Feuer entzündet, dessen Schein Tag und Nacht hindurch leuchtete und die Grenzen des Reiches erhellte. Letztendlich wurde in der Nähe des Turms auch der Grenzverkehr mit der illegalen Ein- und Ausfuhr von Waren abgewickelt.10 Gleichzeitig war er ein Zielpunkt für Spaziergänge entlang der Promenade am Fluss Przemsa. Abb. 4 Preußisch-russländische Gegensätze im Dreikaisereck – Bismarkturm. Drei-Kaiser-Reichs-Ecke. Blick v. Bismarkturm auf das russische Dorf Niwka. Breslau: H. Lukowski. Gelaufen 20. 5. 1912.

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