Jüdische Kultur im kleinen Bild 49 I Abb. 1–3 Erklärbilder der Tradition – Lichtzünden, Freitag Abends. Tarnów: Wydawnictwo Pocztówki, 1902; Licht zünden. Kraków: Salon Malarzy Polskich [im Folgenden SMP], 1902; Neujahrswunsch der Kinder. Tarnów: Wydawnictwo Pochtówki, o. J. wirkenden Räumlichkeiten einen älteren Mann, vermutlich den Großvater der Kinder, die auf ihn zugelaufen kommen. Die Verleger:innen zeigten auf den Karten die Rituale des Schabbats, die Ankunft des Rabbiners im Dorf, das Osterfest sowie wichtige Übergangsriten. Vom Salon Malarzy Polskich (dt.: Salon der polnischen Maler, im Folgenden SMP), einer der wichtigsten Verlage für Judaika und Antisemitika, existiert eine ganze Serie, die die Schritte von der Verlobung bis zu einzelnen Abläufen einer traditionellen jüdischen Hochzeit einzeln auf Bildpostkarten vorstellte (Verlobung, Bedecken der Braut, Besingen der Braut usw.) über das Wochenbett, die Beschneidung bis zur Ehescheidung vor dem Rabbiner. SMP verlegte dies als urheberrechtlich geschützte Serie. Andere Verlage wie der Postkartenverlag von A. Stolarski, wie anzunehmen ist Wydawnictwo kart pocztówek A. Stolarskiego Kraków (im Folgenden W.k.p.A.S.), und die editorische Institution N.E.St. hatten ähnliche Motive im Angebot, doch offenbar von anderen Zeichnern (Abb. 5 und 6). Religiöse und kulturelle Praktiken waren zudem Inhalte von auf Postkarten reproduzierten Gemälden. Ethnische Gruppen waren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in der polnischen Malerei ein eigenständiges Thema. Inszenierungen der sogenannten Volkstypen, darunter vor allem Bewohner:innen von Dörfern in der Nähe von Krakau/ Kraków, Huzul:innen sowie Goral:innen aus der Tatra, sind ein häufiges Motiv in der Kunst junger polnischer Künstler, die vor allem aus der Akademie der bildenden Künste in Krakau stammen, darunter Teodor Axentowicz, Stanisław Wyspiański und Kazimierz Sichulski.16 Auch Künstler – Frauen waren kaum darunter, da ihre Ausbildung nicht vorgesehen war – anderer polnischer Universitäten stellten gerne polnische Dörfer, Volksbräuche und religiöse Riten dar.17 Das Interesse an ethnischen Typen wird einerseits als modernistischer Rückzug aus der bürgerlichen Kultur gesehen und gleichzeitig als Wunsch, die Authentizität und Beständigkeit der polnischen Tradition angesichts der Realität der Teilungen hervorzuheben und zu betonen. Gleichzeitig erscheinen mit dem Auftreten von Künstlern jüdischer Herkunft immer häufiger Vertreter:innen der jüdischen Minderheit auf den Gemälden. Ihre Präsenz in der polnischen Malerei der Jahrhundert-
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