I 78 Neue nationale Bilderkämpfe hen sich, wie bei den Plakaten, auf die in der Volksabstimmungskampagne fokussierten Problemstellungen. Der Inhalt der Postkarten spiegelt den Wunsch wider, für das Heimatland zu kämpfen, und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die eigenen Nachkommen. Gleichzeitig machen sie die belastende Lebenssituation der schlesischen Bevölkerung deutlich. Die Agitations- und Schreckensmethoden des Gegners werden kritisch dargestellt.15 Das Bild auf der Postkarte ist oft anekdotisch und verbunden mit einer spezifischen Symbolik. So basieren beispielsweise Postkarten, die das Leben von Schulkindern karikieren, auf solchen Anekdoten. Die Kombination aus Anekdoten und Symbolen findet sich auch auf Postkarten wieder, die sich mit dem schlesisch-polnischen Grenzgebiet befassen.16 Auf einer dieser Karten sieht man einen oberschlesischen Bauern mit einer Sichel in der Hand. Er steht zwischen dem hohen Zaun des »Landes des preußischen Großgrundbesitzers«, auf dem in der Ferne Fabrikschlote den Himmel verrauchen, und einem polnischen Grenzpfosten, hinter dem Bäuerinnen:Bauern die reiche Ernte einfahren (Abb. 4). Die meisten dieser polnischen Postkarten stammen von Stanisław Ligoń, der sie auch in der von ihm herausgegebenen satirischen Zeitschrift Kocynder [Witzbold] verwendete.17 Die Postkarten, bei denen es sich um Miniaturplakate handelt, arbeiten sehr oft mit symbolischen Motiven. Nachfolgend wird eine solche Postkarte, welche die sehr schwierige Lebenssituation der oberschlesischen Bevölkerung illustrieren sollte, näher betrachtet (Abb. 5). Sie zeigt einen einheimischen Arbeiter, der drei Figuren auf seinen Schultern trägt, die seine Unterdrücker symbolisieren: einen Gendarmen, einen Staatsanwalt und einen preußischen Junker. Im Hintergrund ist die ortstypische Landschaft zu sehen. Die Postkarten wurden mit einer Aufschrift versehen, um ihnen einen stärkeren Ausdruck zu verleihen. Ihr Inhalt basiert in der Regel auf Informationen aus Plakaten und Magazinen, die auf Polnisch, Deutsch oder auch zweisprachig veröffentlicht wurden – oft ergänzt durch Mundartbegriffe, die die Oberschlesier:innen in ihrem Alltag verwendeten. Vergleicht man polnische und deutsche Propagandapostkarten, so muss man feststellen, dass erstere ein Abb. 4 Narrative der vermeintlich schlechten Lebensverhältnisse in Oberschlesien – Ziemia magnata pruskiego [Land des preußischen Großgrundbesitzers]. O. O.: Antoni Romanowicz, o. J. [etwa 1920/21].
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