Leseprobe

137 2021 schenkte Katharina Coupland, geb. Geissler, die in den Vereinigten Staaten lebt, den Kunstsammlungen Chemnitz neun Aquarelle und drei Druckgrafiken von Erich Heckel. Sie stammen aus dem Erbe ihres Vaters Dr. Ernst Geissler. Für den Katalog verfasste sie mit der Unterstützung ihres Cousins Hans Geissler im April 2024 den folgenden Text. »Erich Heckel war eines von drei Geschwistern. Weder er noch sein Bruder Manfred hatten Kinder, aber seine Schwester Elsa und ihr Ehemann Johannes Geissler hatten acht. Eines davon war mein Vater Ernst, der 1915 geboren wurde und in Chemnitz aufwuchs. Er studierte Ingenieurwissenschaften und Physik und schloss sich dem Team von Raketenspezialisten an, das von Werner von Braun an der Heeresversuchsanstalt Peenemünde geführt wurde. Dort entwickelten sie Raketen für den Krieg. Nach Kriegsende wurden er, zusammen mit vielen anderen aus seinem Team, von den Amerikanern in die Vereinigten Staaten gebracht. Hier setzten sie zunächst ihre Militärforschungen fort, arbeiteten dann aber vor allem zu dem Fachbereich der Luftfahrt, wo sie Werner von Brauns Vision verwirklichten, Raketen zu bauen, die in den Weltraum vordringen würden. Sie erreichten dieses Ziel im Rahmen des ApolloProgramms der NASA (National Aeronautics and Space Administration), das von Präsident John Kennedy gefördert wurde, und brachten den ersten Menschen auf den Mond. Im Verlauf seiner Karriere promovierte er in theoretischer Physik und wurde schließlich Direktor des Aeroballistics Laboratory (später umbenannt in AeroAstrodynamics Laboratory) am Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama. Die familiäre Nähe zu Erich Heckel entstand schon in der Kindheit. Zusammen mit seiner Frau Siddi nahm er immer wieder eines oder zwei von Elsas Kindern in den Ferien mit nach Osterholz an der Flensburger Förde, wo sie ein Bauernhaus besaßen und alljährlich Sommer und Herbst verbrachten. Im Jahr 1927 waren es Ernst und eine seiner Schwestern, die sie dorthin begleiteten. Von Amerika aus besuchte mein Vater immer wieder Familienangehörige in Deutschland, wobei sein Hauptziel stets Hemmenhofen am Bodensee war. Erich Heckel schätzte offenbar diesen Neffen ganz besonders, der sich dort jedes Mal ein paar seiner Arbeiten aussuchen und nach Hause mitnehmen durfte. Bis zum Ende seines Lebens hatte er auf diese Weise über 100 Werke, vor allem Aquarelle und Druckgrafiken, erworben. – Mein Vater verspürte eine große Affinität zur Natur und zur Kunst. Besonders fesselten ihn die Landschaften, die schon seit den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ein gewichtiger Bestandteil von Heckels malerischem Schaffen geworden waren. Ich erinnere mich, wie mein Vater, wenn er nach einem langen Arbeitstag nach Hause kam, nachdem er zu Abend gegessen hatte, in unserem Wohnzimmer eine Platte mit klassischer Musik auflegte und Heckels Bilder betrachtete, die ihm sehr lieb waren. Ernst Geissler starb im Jahr 1989. Meine Schwester und ich hatten das Glück, das Erbe seiner Heckel-Sammlung bei uns bewahren zu können. Um das Werk Heckels zu würdigen, wollte ich Arbeiten von ihm der Öffentlichkeit zugänglich machen und sie einem Museum schenken. Die Wahl fiel auf die Kunstsammlungen Chemnitz, da die Familie Geissler in dieser Stadt gelebt und Erich Heckel hier so viel Zeit verbracht hat.« Katharina Coupland, geb. Geissler, USA, April 2024 Dr. Ernst Geissler

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