21 31 Seiner Meinung nach »beginnt uns eine zweite Periode völkischen Arbeitens, und erst nachdem wir uns da hineingelebt haben werden, kann uns das immer wieder ersehnte dritte oder künstlerische Zeitalter kommen; [...] ein solches Zeitalter gibt es nicht, ohne daß wir [...] nicht nur stark kindlich, sondern auch stark männlich waren«, Tessenow (1928), S. 4; vgl. auch Sarfert (1992), S.127f.; siehe auch: Tessenow (1929), S. 251 f. 32 Vgl. Beyerle/Neˇmecˇková (2018). 33 Vgl. Ulbricht (2019), S.119–122; ferner Nitschke (2009), S.102–110. In Workshops sollte einerseits praktisches und organisatorisches Wissen über handwerkliche und landwirtschaftliche Themen vermittelt werden, andererseits gab es kulturtheoretische Lehreinheiten mit Inhalten aus der Sprachwissenschaft, Volkskunde und Brauchtumsforschung. 34 Zur Zielgruppe zählten neben jungen Landwirten auch landwirtschaftliche Vereine und Körperschaften wie die Sächsische Landwirtschaftskammer sowie Volkshochschulen. Die völkische Bewegung stützte sich inhaltlich auch auf eine »christlich nationale Grundlage«, vgl. Deutsche Bauernhochschule, Nr. 3 (1921), S. 31. Die Gruppe der Beiträger bezog weite Teile des Bildungsbürgertums mit ein, vgl. den Aufsatz von Houston Stewart Chamberlain »Die Natur als Lehrmeister«, Chamberlain (1926). 35 Vgl. Ciupke (2007); siehe auch Tanzmann I. (1923). Noch 1944 berief sich der Landdienst des Reichslandbundes im Gau Sachsen auf Bruno Tanzmann als Gründungsfigur der Artamanen, vgl. BArch R 8034III/458, Bl. 131. 36 Vgl. Sarfert (1992), S.93f.; Hüneke (1997). 37 Vgl. StA Dresden 9.1.36/8, Bl.197 und StA Dresden 9.1.36/6, Bl. 89–90 sowie auch für die folgenden Zitate StA Dresden 9.1.36/5 Bl. 96–99. und Goldschmiedehandwerk, Töpferei, Typographie. Diese fungierten jedoch rechtlich eigenständig. Auch hier bildete ein lebensreformerisches, modernekritisches Erneuerungsverständnis die ideelle und theoretische Grundlage. Die handwerkliche Produktion sollte, so Tessenow, als breites und starkes Fundament die Grundlage bzw. Voraussetzung jeder künstlerischen Produktion sein.31 Zwar hatten Frauen in diesem Denken keinen Platz; dass diese jedoch durchaus zu handwerklichen Spitzenleistungen und modernsten Design-Entwürfen fähig waren, zeigen ihre vielfachen Engagements für die Deutschen Werkstätten und den Deutschen Werkbund.32 Allerdings brach die Gemeinschaft in dem Moment recht rasch auseinander, als Heinrich Tessenow 1926 ein Karrieresprungbrett zu nutzen wusste und einen Ruf an die Technische Hochschule nach Berlin erhielt. Die Handwerkergemeinde verlor damit ihren einflussreichsten Unterstützer. Eng verbunden mit der völkischen Bodenreform war die auch in Hellerau aktive Bauernhochschulbewegung: Ein kurzes Intermezzo auf dem Areal der Bildungsanstalt war das Wirken der Familie von Bruno Tanzmann und seiner Frau Ilse, die dort unter anderem Reformkleidung herstellte. Im Jahr 1921 wurde nicht nur der Erste germanische Bauernhochschultag in den Räumen des Festspielhauses abgehalten, welche die Bildungsanstalt zur Verfügung stellte. In die Zeit der Weimarer Republik datierte auch die Gründung der Bauernhochschulbewegung mitsamt der von Bruno Tanzmann herausgegebenen Zeitschrift »Die Bauernhochschule«. Während dieses völkischen Kongresses versammelten sich 1921 bedeutende Vertreter der Szene in der Gartenstadt.33 Den Kontext der Veranstaltungen bildete die Idee einer landwirtschaftlichen Kolonisation und Siedlung als Gegenstück zum modernen Individualismus bzw. der Verbreitung bäuerlicher Kulturtechnik und Lebensweise, in deren Einfachheit und Bodenständigkeit eine Alternative zum Leben in der Stadt gesehen wurde. Einer paternalistischen und ständischen Auffassung nach sollten Männer und Frauen nach ihren Möglichkeiten und Begabungen in der Gemeinschaft leben, wobei die Auswahl der Ehepartner nach Gesichtspunkten der Erbgesundheit zu erfolgen hatte, ähnlich wie bei der Konzeption des Artamanenbundes. Die Familien sollten in Subsistenzwirtschaft und allenfalls für den Nahbereich produzieren und die leerstehenden und brachliegenden Hinterlassenschaften der Stadtflucht wieder mit neuem Leben und Bewusstsein für die germanische ›Rasse‹ füllen. Tanzmann erreichte mit seiner Bauernhochschule eine große Resonanz und in den 1920er Jahre sollten weitere Workshops stattfinden.34 Tanzmann war auch verlegerisch sehr umtriebig, erwähnt seien hier die Herausgeberschaft von Periodika, sein Hakenkreuzverlag und die »Weltwacht der Deutschen«.35 Allen Bildungsangeboten gemein war die Tatsache, dass sie in beständiger finanzieller Prekarität wirtschaften und unterrichten mussten, mehr oder weniger gut durch die Beiträge der Schülerinnen und Schüler ausgestattet, teilweise auch durch Spenden, ehrenamtliches Engagement und private Vermögen gestützt. Unter diesen Bedingungen litt auch das Engagement Alois Schardts, der 1923 nach Hellerau kam, um die Bildungsanstalt zusammen mit Harald Dohrn zu leiten. Mit seiner Frau Mary Dietrich organisierte und führte er Sommerkurse für die körperlich-geistige Weiterbildung Erwachsener sowie einen praxisorientierten Unterricht mit einem Schwerpunkt auf Kunst- und Körperbildung für Kinder durch. Zudem richtete er eine vielbeachtete Galerie zeitgenössischer Kunst ein, die auch Dresdner Kunstschaffende zeigte, ehe finanzielle Umstände auch dieses Engagement beendeten.36 Die Geschäftspolitik der Bildungsanstalt lag durchaus nicht immer im Interesse der Gartenstadt-Gesellschaft Hellerau, die zu ihren Gesellschafterinnen gehörte. Die Bildungsanstalt, welcher ein kulturelles Gewissen nach Ansicht der Zeitzeugen gewissermaßen eingeschrieben schien, hatte nicht erst 1937 mit der Idee, das Festspielhaus an das Innenministerium zu verkaufen, diesen Pfad der ausschließlich kulturellen Nutzung des Areals verlassen. Ein besonders hervorstechendes Beispiel hierfür sind die Planungen aus dem Jahr 1928, in Hellerau eine Glühlampenfabrikation anzusiedeln. Diese wurde als große und lang ersehnte Chance wahrgenommen, um der Anstalt finanziell endlich auf die Beine zu helfen, da sich sonst wenige Alternativen boten und die Geschäftsführung bereits zahlreiche gescheiterte Versuche unternommen hatte, das Gelände zu verwerten. Hierzu gehörte etwa auch, dass die Pensionshäuser seit dem Konkurs und anschließendem Zwangsvergleich 1915 als Wohnungen vermietet wurden.37
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