55 145 Vgl. Siggemann (1980); Deppisch (2017), S. 100 f. 146 Vgl. Deppisch (2017) S.123–137. In dieser Zeit hielten auch bereits entsprechende Feindbildkonzeptionen Einzug in die theoretische Ausbildung, etwa bezogen auf sog. ›Zigeuner‹ oder Kommunisten. In den Polizeiapparaten hatte es im Vorfeld der Machtergreifung bereits breite Zustimmung zur nationalsozialistischen Agenda gegeben, vgl. ebd., S. 65–73. Zum Luftschutz als Teil der ORPO-Aufgaben vgl. Befehlsblatt d. ChefOP. 1944, Nr. 25, S. 217. 147 Daneben bestanden verschiedene Möglichkeiten mehrmonatiger bis mehrjähriger Aufbaukurse zur Sicherung des Führungskräftenachwuchses. Eine der dafür vorgesehenen Lehranstalten befand sich in Potsdam-Eiche, wohin auch Einheiten aus anderen Deutschen Ländern zur Weiterqualifizierung abgeordnet werden konnten, vgl. Deppisch (2017), S.101–117 sowie auch Lambrecht (2010), S. 41–48. 148 Als Polizeifürsorgerinnen oder Polizeiassistentinnen waren auch Frauen bereits ab der Wende zum 20. Jahrhundert im Polizeidienst tätig und führten im Rahmen von Konzepten der Mütterlichkeit und Schwesternschaft Wohlfahrtsdienste aus. Nach einer Professionalisierungsphase in den 20er Jahren wurde ihre Funktion im Nationalsozialismus im Rahmen der Präventionsarbeit stark ideologisiert, vgl. Blum (2012), S. 40–68. POLIZEI VOR 1933 Für die Einordnungen der Entwicklung auf dem Festspielhausgelände soll zunächst ein Blick auf die Entstehung des Polizeiapparates vor 1933 und seine Modifikation unter nationalsozialistischen Vorzeichen geworfen werden. Viele Institutionen, die im NS-Staat eine Aufwertung erlebten, hatten ihre Vorläufer bereits vor 1933. Neben wenigen Brüchen bestanden Kontinuitäten nicht nur in thematischer und symbolischer sondern vor allem in personeller Hinsicht, wie sich noch zeigen wird. In der Expansionsphase war das Umfeld von Heinrich Himmler, dem ›Chef der Deutschen Polizei und Reichsführer SS‹, auf der Suche nach immer mehr Personal und immer größeren Platzkapazitäten – dies bildete den Hintergrund für die Festlegung auf Hellerau und das Festspielhaus als Standort für die Polizeiausbildung. Im Kaiserreich und in den deutsche Staaten war eine einheitliche Polizeiausbildung nicht vorhanden; in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen einzelne Staaten und Kommunen diese zu institutionalisieren, weiter zu entwickeln und zu militarisieren, allen voran Preußen.145 Die unübersichtlichen gesellschaftlichen Verhältnisse nach dem Ersten Weltkrieg schlugen sich auch im oft improvisatorischen Charakter der Polizeiarbeit nieder, was eine Professionalisierung notwendig machte. Kriegsbeteiligung und militärische Sozialisierung eines Großteils der Polizeikräfte bedingten auch eine stark militärische Ausrichtung ihrer Tätigkeit, was etwa die Arbeit mit Planspielen und Taktik anbelangt. Erfahrungsberichte älterer Beamter spielten eine immense Rolle; dies galt auch für die Polizeiausbildung. Fortdauernde Theoriedefizite, ein Mangel an Handbuchwissen, der übertriebene Fokus auf körperliche Leistungsfähigkeit sowie Vereinheitlichungszwang führten zu einer Übertragung der Ausbildungskompetenzen auf die staatliche Ebene und so wurden zu Beginn der 1920er Jahren in allen Ländern Polizeischulen gegründet. Ein militärisch-taktischer Schwerpunkt in der Ausbildung wurde für die Angehörigen der Bereitschaftspolizeien beibehalten, um die Beamten auf den Kampf mit Aufständischen oder dem politischen Gegner vorzubereiten, unter anderem mit Plan- und Geländespielen. Die theoretische Auseinandersetzung damit intensivierte sich vor allem im Nachgang der Reichsexekutionen in Thüringen und Sachsen 1923. Probleme mit der Treue zur Republik bestanden gerade in der Anfangs- und Endzeit der demokratischen Polizei. Geschlossene Polizeiverbände gab es im Deutschen Reich erst nach 1918. Eine kurzfristig ins Leben gerufene Ordnungspolizei musste aufgrund des Drucks der Siegermächte 1920 bereits wieder aufgelöst werden. An ihre Stelle traten auf der Ebene der Länder leichter bewaffnete, geschlossene Polizeiverbände mit einer erlaubten Maximalstärke von 150 000 Mann und einem Verbot von schweren Waffen. Die Weimarer Reichsregierung versuchte immer wieder, die Vorgaben zu umgehen und auf eigene Art zu interpretieren, um die gewünschten Personalstärken zu erzielen. Dabei befand sie sich in dem Zwiespalt, eine demokratische, republiktreue Polizei zu schaffen, wo jedoch überwiegend nationalistisch-reaktionäres Heerespersonal zur Verfügung stand. Die Existenz der Ordnungspolizei als paramilitärische Einsatztruppe hatte ihren Ursprung bereits in der Zeit der Notverordnung der Weimarer Republik.146 Die Ausbildung dauerte zwischen einem und drei Jahren; das Training an Waffen und die körperliche Ertüchtigung dominierten teilweise die Grundausbildung.147 Dies änderte sich 1933 grundlegend. In der ORPO wurden die polizeilichen Kompetenzen verschiedener Ebenen miteinander verschmolzen, einerseits die Gemeindepolizei, die Gendarmerie und die Verkehrspolizei, aber auch die bei Großlagen eingesetzten Bereitschaften der Schutzpolizei sowie Feuerschutz, Wasserschutz, Luftschutzpolizei und Technische Nothilfe. Während sich die Gemeindepolizeien unter Abspaltung von anderen Diensten, wie etwa der Baupolizei, langsam zu kommunalen Vollzugsdiensten entwickelten, die erst im Laufe der Zeit von staatlicher Seite reglementiert wurden, war mit Gendarmerie und Schutzpolizei eine Polizeieinheit in der Ordnungspolizei bestimmend, deren Aufsicht auf Länderebene lag und zuvor von den Landesherren ausgeübt wurde.148
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